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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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labten sich daran.
    »Ich will nicht, dass du dich daran erinnerst«, flüsterte sie und berührte meine Stirn. »Baby, mein Baby!«
    Sie stahl sie mir einfach. Meine Erinnerungen, die hinter Träumen verborgen blieben. Ich wusste nicht, wie ich so viel verlieren konnte. Wie sie es gemacht hatte. Aber vermutlich war meine Jugend schuld daran. Ich war so jung. Ich vergaß alles, selbst später erinnerte ich mich noch nicht, als ich doch viel mehr sah. So viel mehr. Selbst da erinnerte ich mich nicht an diese Zombies, an diese Bar, an meine Mutter und die eingekerkerte Dunkelheit.
    Ich war so naiv und hielt mich für so schlau. Ich dachte, ich wüsste alles. Dreizehn Jahre nach diesem Augenblick im Schnee sah ich mit an, wie meiner Mutter in den Kopf geschossen wurde. Da endlich verstand ich. Ich erinnerte mich. Ich bekam es zurück.
    Ich bekam alles.

1
    I ch stand neben einem ehemaligen Priester in der kleinen Teeküche eines Obdachlosenheims und versuchte eine alte Frau davon zu überzeugen, dass Marihuana kein Ersatz für Zucker wäre, als ein Zombie die Edelstahlschwingtüren aufstieß und verkündete, dass zwei Detectives des Seattle Police Departments aufgetaucht wären.
    Ich lauschte, hörte das Klappern von Pfannen und Rufe aus der anderen Küche, das leise, rumpelnde Stimmengewirr im Speisesaal und die klassische Musik, die den Lunch untermalte: Tschaikowskys Sleeping Beauty. Die hatte ich ausgesucht. Sie passte so angenehm zu dem Regen, der auf das Dachsims prasselte, und zu dem Wind, der gegen das Milchglas schlug.
    Sirenen hörte ich keine, und auch kein Knacken und Rauschen von Funkgeräten, ebenso wenig wie offizielle Stimmen, die Befehle und Fragen blafften. Es war nur ein kleiner Trost. Aber auf meiner Haut, unter den langen Ärmeln meiner Lederjacke und des Rollkragenpullovers, zuckten die Jungs unruhig im Schlaf, rastlos träumend. Heute waren sie vor allem rastlos, schon seit dem Morgengrauen. Das war kein gutes Zeichen. Wenn Zee und die anderen nicht gut schliefen, bedeutete das gewöhnlich, dass jemand weglaufen musste. Und dieser jemand war ich.

    »Unmöglich«, knurrte Grant. »Haben sie gesagt, was sie hier wollen?«
    »Noch nicht. Vielleicht hat sie jemand informiert.«
    »Eine Ahnung, wer?«
    »Such dir einen aus«, erwiderte Rex. Der Dämon in seiner Aura flatterte wild umher. »Du ziehst solche Wichtigtuer an wie die Schwerkraft und eine 34DD.«
    Die alte Frau ignorierte uns immer noch und summte jetzt eine komplizierte Melodie aus verschiedenen Songs von South Pacific . Sie war winzig, dürr wie eine Bohnenstange, und ihre Nase schien so oft gebrochen, dass sie wie ein Geröllfeld aussah. Sie hatte blasse, faltige Haut und langes Haar, weiß wie Schnee. Ihre sehnigen Arme waren von Einstichen übersät und verschwanden unter den dicken Plastikarmreifen fast.
    Mary, eine der ständigen Bewohnerinnen des Heims. Eine ehemalige Heroinabhängige, die Grant vor einem Jahr in der Gosse gefunden hatte. Sie war sein Spezialprojekt. Ein Experiment.
    Ich beobachtete, wie sie sich über eine rote Plastikschüssel beugte, die bis zum Rand mit einer Mischung aus Brownies und Schokoladenchips gefüllt war. Mit zwei langen Essstäbchen in der Rechten rührte sie ziemlich ineffektiv darin herum, mit der Linken umklammerte sie ein Glas, in dem sich genug fein zermahlenes Gras befand, um einen ganzen Häuserblock damit eine Woche lang high zu halten.
    Sie warf einen kurzen Blick unter den Wimpern hervor auf Grant, ob er sie vielleicht beäugte. Das tat er wirklich, obwohl er ihr halb den Rücken zugekehrt hatte. Wir zuckten beide zusammen, als sie noch mehr Marihuana in die Schüssel gab und schneller umrührte.
    »Du musst das Zeug loswerden«, sagte ich. »Wirf eine Hälfte ins Waschbecken und die andere ins Klo.«

    Die Knöchel an Grants Hand, mit der er seinen Gehstock hielt, traten weiß hervor. »Dass die Polizei hier auftaucht, könnte ein Zufall sein. Einige von ihnen kommen manchmal auf ein Schwätzchen vorbei.«
    »Willst du das Risiko eingehen?«
    »Selbst wenn wir die Beweise wegspülen, löst das unser Problem im Keller nicht.«
    Ich starrte auf die Spitzen meiner alten Cowboystiefel, als könnte ich durch sie hindurch in das riesige Kellergewölbe der Obdachlosenunterkunft blicken. Früher einmal wurden hier Möbel gepolstert. Einige der großen Nähmaschinen standen noch immer an diesem riesigen dunklen Ort herum und setzten Staub an. Hier gab es jede Menge Verstecke und unentdeckte

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