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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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bauschte sich, obwohl sich im Flur kein Lüftchen regte, und der Stoff, wenn es denn tatsächlich Stoff war, peitschte mit einer solchen Wucht um seinen Körper, als stünde er in einem Hurrikan. In den Falten sah ich Schatten, unergründliche, unendliche Schatten, wie Verliese für Seelen.
    Von dem Gesicht des Dämons war nur wenig zu erkennen. Die breite Krempe des Hutes saß tief über den Augen und ließ nur weiße Haut aufblitzen, ein spitzes Kinn und einen harten, männlichen Mund. Seine Kiefer wurden von schwarzem lockigem Haar eingerahmt, dessen Spitzen sich wanden wie Schlangen.
    Nur Hände sah ich nicht. Und obwohl seine Augen im Schatten der Krempe lagen, spürte ich, wie er mich anstarrte. Sein Blick sengte wie ein Brandeisen mein Gesicht, und die Hitze durchdrang mich mit unermesslicher Kraft.
    Mein Verstand setzte aus. Es war schon so lange her. Die meisten Dämonen, denen ich begegnete, gehörten eher zur Sorte Geister, die einfach menschliche Körper trugen. Sie waren
so substanzreich wie schlechter Atem. Dämonen aus Fleisch und Blut waren selten, denn es fiel ihnen schwerer, den Schleier zu passieren. Sie brauchten eine Öffnung, und vor allem erforderte es eine ganz andere Qualität der Flucht, wenn sie durch die Kreise entkamen, jene ansteigenden Dimensionen des Gefängnisses. Sie benötigten Macht, um ihre Freiheit zu gewinnen. Entschlossenheit. Was allerdings bedeutete, wie meine Mutter zu sagen pflegte, dass diejenigen, die ausbrachen, üble Arschlöcher waren.
    Die Jungs und ich hatten ein gerüttelt Maß an Kämpfen mit ihnen ausgefochten. Einige wandelten schon seit Jahrhunderten auf der Erde, so lange verborgen, bis sich unsere Wege kreuzten. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Flüchtlinge es gab. Die Welt war groß, und da war nur eine Jägerin.
    Ich trat zurück und schlug die Tür zu, als ob mich das hätte retten können. Ich starrte auf das Holz und erwartete, dass der Dämon hindurchbrach. Außerdem rechnete ich damit, dass sich die Jungs um mich scharten. Aber sie standen ebenfalls nur da und beobachteten die Tür. Regungslos. Mit großen Augen.
    »Zee!«, zischte ich.
    »Maxine.« Seine Miene war unergründlich, die Ohren flach am Schädel, die Stacheln aufgerichtet. Rohw und Aaz gruben ihre Klauen in den Holzboden. Die Stacheln auf ihrem Rücken fächerten sich mit einem Klacken auf und zitterten heftig. Dek und Mal zitterten auch, ihr heißer Atem blies mir in die Ohren.
    Doch keiner von ihnen schien kämpfen zu wollen. Und das war falsch, es war noch nie passiert. Konnte nicht sein. Mein Blut war ihr Blut. Mein Tod war ihr Selbstmord. Die Jungs lebten nur, weil ich lebte. Ich sollte ihr Ansporn sein, jenseits aller Freundschaft oder Loyalität.
    »Zee!«
    »Mach die Tür auf«, flüsterte er.

    »Du wirst uns umbringen.«
    »Niemals, Maxine.«
    »Du irrst dich.«
    »Niemals!« Er fuhr hitzig hoch. Die Wut in seiner Stimme war aber nicht gegen mich gerichtet, das spürte ich. Ich konnte die Wahrheit förmlich schmecken. Die Jungs hatten mich noch nie in die Irre geführt.
    Mein Herz hämmerte, als ich die Tür öffnete.
    Der Dämon war verschwunden.
    Ich verschwendete keine Zeit, rannte in den Flur und sprang die Treppe polternd hinab, nahm drei Stufen auf einmal. Die Jungs folgten, hüpften durch den Schatten und verschwanden, als ich auf den Bürgersteig stürmte und zwischen einer Gruppe von Menschen zum Stehen kam, die gerade das Nudelrestaurant verließen. Ich ignorierte ihre Schreie. Meine Haut prickelte, mein Magen brannte, bittere Galle stieg mir hoch. Ich war ein großes, fettes Ziel.
    Los, Maxine, lauflauflauf!
    Ich lief, floh, stolperte fast über meine Füße, als ich zu dem Jeep rannte. Ich hatte einen Plan, sozusagen. Ich würde den Dämon weglocken, einen Ort suchen, der isoliert war. Wo es keine Menschen gab. Und ich hoffte verzweifelt, dass mir die Jungs halfen.
    Unmittelbar bevor ich den Jeep erreichte, zischten mir Dek und Mal in die Ohren. Ich kam stockend zum Stehen, fühlte einen Luftzug in meinem Haar. Als ich mich umdrehte, sah ich gerade noch einen dunklen, verschwommenen Umriss auf dem Bürgersteig hinter mir landen, dessen Beton zerbarst; es hörte sich an, als würden tausend Wirbelsäulen zerschmettert werden. Ich sah hinab. Füße, die wie Klingen geformt waren - und zwar wirklich wie Messer; oder vielleicht waren es auch Klauen, die wie Klingen wirkten. Sie waren lang, gerade und glänzten wie
Quecksilber. Der Dämon stand wie ein Balletttänzer auf

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