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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Zehen zogen Furchen in den Beton.
    »Wir sind die deine«, wisperte er. »Doch, Jägerin, du bist auch die unsere.«
    »Nein«, wollte ich schon sagen, aber im selben Moment schien sich vor meinen Augen ein lebendiger Abgrund zusammenzufalten, in einem Atemzug. Der Dämon bewegte sich und verschwand. So vollkommen, als hätte die Welt ihren Schlund aufgerissen und ihn verschluckt.
    Ich starrte auf die Stelle, aber meine Augen schienen nur zwei glühende Löcher in meinem Schädel zu sein. Dann sah ich Zee, Aaz und Rohw an. Sie standen mit gesenkten Köpfen da und blickten zu Boden. Dek und Mal zitterten lediglich stumm. Trauer und Schande spürte ich in ihnen, und es tat mir weh. Es brach mir das Herz. Ich hätte gern geweint, hatte aber keine Zeit dafür, hatte keinen Platz für Tränen.
    »Was ist da eben passiert?«, flüsterte ich. Zee sagte nichts. Keiner der Jungs mochte mich auch nur ansehen. Es schmerzte mich mehr, als ich mir jemals hätte vorstellen können.
    Ich berührte seine Schulter. »Du hast dich geweigert, für mich zu kämpfen. Du hast mich im Stich gelassen. Ich möchte wissen, warum.«
    »Entschuldige«, hauchte Zee. »Es tut mir so leid, Maxine. Aus tiefstem Herzen bitte ich dich um Verzeihung.«
    Ich fuhr mir mit der Hand über die Augen. Passanten kamen über den Bürgersteig, Autos fuhren über die regennasse Straße. Musik hämmerte aus dem Videoladen, und ich nahm die Gerüche aus dem Restaurant wahr, das Bratfett …

    Ich beugte mich vor und würgte. Dek und Mal summten mir beruhigend ins Ohr. Ich drehte mich zum Jeep um, wühlte nach den Schlüsseln. Rasender Schmerz pochte in meinem Kopf, während mir die Tränen aus den Augen liefen. Zee berührte mein Knie, ich aber schüttelte ihn ab.
    Ich stieg ein, ließ den Motor an und fuhr davon, ohne auf die Jungs zu warten, ohne mich zu überzeugen, ob sie mir folgten. Zum ersten Mal in meinem Leben kümmerte mich das nicht.

6
    H ätte ich klar denken können, so wäre mir vielleicht die Idee gekommen, dass bei einer Galaveranstaltung im Seattle-Art-Museum Abendgarderobe erwartet wurde.
    Doch ich war abgelenkt. Von glühender Scham. Ich fühlte mich nutzlos, wertlos. Ich war am Leben, aber nicht, weil ich etwas dafür getan hätte. Der Dämon hatte mich nicht verletzen wollen, ganz einfach, und die Vorstellung, dass ich seiner Gnade ausgeliefert war, machte mich krank. Ich konnte nicht mal den Jungs die Schuld daran geben. Es war allein mein Fehler. Ich war selbstgefällig geworden. Ich wusste, dass Zee und die anderen mir immer den Rücken freihielten, ich wusste, dass sie so gut sie konnten auf mich aufpassten.
    Trügerisches Selbstvertrauen. Meine Selbsttäuschung. Meine Mutter hatte immer hart an sich gearbeitet. Sie hatte Kampfsport gemacht, den Umgang mit Waffen trainiert, Strategie und Täuschung geübt. Sie hatte ihren Verstand und ihren Körper fit gehalten und mich ebenfalls darin ausgebildet. Aber sie war jetzt auch seit fünf Jahren tot. Und ich hatte die Dinge schleifen lassen. Ich war eingerostet. Ich war ein Idiot. Sich auf die Jungs zu verlassen war eine Sache, aber träge zu werden, das war etwas vollkommen anderes.
    Die Jungs saßen auf dem Rücksitz, sehr still. Keine Musik,
keine Albernheiten. Ich musterte sie ein- oder zweimal kurz im Rückspiegel. Sie hatten die Hände in ihren kleinen Schößen gefaltet, und ihre winzigen, klauenbewehrten Füße baumelten über dem Boden. Nachdem ich ihrem leisen Schniefen zehn Minuten lang zugehört hatte, konnte ich ihnen nicht mehr böse sein. Ich war gekränkt, aber nicht in der Lage, meinen Groll länger aufrechtzuerhalten. Nicht ihnen gegenüber.
    »Ich brauche Antworten«, sagte ich schließlich. Zee seufzte, zögernd und sichtlich unbehaglich. »Das schuldet ihr mir«, setzte ich hinzu. »Ich dachte, ich müsste sterben.«
    »Nein«, widersprach Zee entschieden. »Kein Tod.«
    »Sind wir nicht eine Familie?«
    »So nah wie Diebe.«
    »Dann sag mir, was hier vorgeht.«
    »Kann ich nicht«, flüsterte Zee und tauchte einen Augenblick später aus dem Schatten des Beifahrersitzes neben mir auf, die kleinen knotigen Knie an die Brust gezogen.
    Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen. »Warum nicht?«
    Kleine Finger zupften am Saum meiner Jacke. Rohw und Aaz drängten sich um den Schaltknüppel herum, unter meine Arme hindurch auf meinen Schoß. Das erschwerte das Fahren. Aber ich hatte nicht das Herz, sie wegzuschieben. Zee umklammerte seine Knie noch etwas fester. »Geheimnisse,

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