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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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seinem Schoß, doch er hielt mich an einem Handgelenk fest. Seine Augen waren dunkel, gehetzt. Sehr vorsichtig drehte er meinen Kopf zur Seite, um das Mal hinter meinem Ohr zu betrachten. Nach langem Schweigen zog er den Kragen meines Rollkragenpullovers herunter, um meine Kehle zu untersuchen. Ich schloss die Augen und hielt still, versuchte nicht daran zu denken, wie es sich angefühlt hatte, erstickt zu werden. Ich wünschte, ich könnte diesen Umhang, das Haar, die Füße vergessen. Und dieses Lächeln.
    Grants Lippen berührten meine Haut. Sein Mund war heiß und zärtlich.
    »Ich muss immer zurückbleiben«, murmelte er an meinem Ohr. »Ich hasse es. Obwohl ich so tue, als wäre es nicht so. Ich tue so, als könnte niemals etwas passieren, doch dann kommst du nach Hause und erzählst mir solche Geschichten. Das macht mir Angst.«
    »Die verbirgst du aber gut.«
    »Du kennst mich besser.« Grant wich etwas zurück und nahm mein Gesicht zwischen seine Hände. »Morgen begleite ich dich. Ich lasse dich nicht mehr aus den Augen, bis das hier geklärt ist.«
    »Das kann ich nicht zulassen, Grant.«
    »Du kannst mich aber auch nicht daran hindern.« Seine großen kräftigen Hände schlossen sich hinter meinem Hals. Dann glitt er mit den Fingern in mein Haar. »Wir passen gegenseitig auf uns auf, nicht wahr? Haben wir uns das nicht versprochen?«

    »Ja«, antwortete ich leise.
    »Okay.«
    »Du bist vielleicht ein Priester«, erklärte ich. »Du bist so gebieterisch.«
    »Ein ehemaliger Priester.« Sein Mund wurde weicher. »Und gerade du musst das sagen.«
    Ich lächelte. Dann hörte ich ein schwaches Schlurfen über uns. Es klang wie Kies. Das Geräusch überrumpelte mich. »Er ist auf dem Dach?«
    »Er sagte, er müsste an die frische Luft.«
    »Hast du einen Rat?«
    »Du brauchst keinen Rat.« Er spielte einige Töne auf dem Klavier. »Du weißt immer, was du tun musst, Maxine.«
    Selbstverständlich irrte er sich. Auch wenn es mich noch nie aufgehalten hatte, wenn ich keine Ahnung hatte. Zu leben war eine Kunst, und manchmal erforderte es die unerbittliche, gnadenlose Entschlossenheit, einfach nur weiterzumachen, einen Schritt nach dem anderen zu tun, gleichgültig was man gerade tat.
    Der Rest ergab sich normalerweise von selbst.
     
    Grants Dachgarten war nur durch die Wohnung zu erreichen, und war infolgedessen der einzige Ort, an dem wir uns gemeinsam im Freien entspannen konnten, ohne daran denken zu müssen, meine Tätowierungen zu verstecken oder zu fürchten, dass jemand die Jungs sehen könnte. Es kam mir wie eine Insel auf der Spitze der Welt vor. Auch wenn Grant nicht besonders gut mit Pflanzen umgehen konnte, so wie einige Insassen seines Heims, war es ihm doch gelungen, ein paar Töpfe mit Farnen und Efeu hochzupäppeln. Alles andere, sämtliche duftenden oder bunten Pflanzen hatten den Winter nicht überstanden.
    Der Junge saß auf einem der beiden Gartenstühle aus Plastik
neben der kalten Feuerstelle. Die Feuchtigkeit schien ihm nichts auszumachen. Er rauchte eine Zigarette.
    Er sah mich kommen, stand aber nicht auf, sondern scharrte nur mit den Füßen, senkte den Blick und zupfte an seinem T-Shirt. Ich setzte mich neben ihn in den anderen Stuhl. Vor uns erhob sich die Skyline der Innenstadt, die wie eine Kette aus Stahl und Juwelen funkelte. Ich hörte den Straßenverkehr, ferne Stimmen, das Dröhnen eines Flugzeugs, und spürte die Präsenz des Jungen im Schatten.
    »Eine harte Nacht«, sagte ich schließlich.
    »Hab schon schlimmere erlebt«, gab er zurück.
    »Hier ist ein guter Ort, um nachzudenken.«
    »Ich weiß nichts«, antwortete er. »Über den Mord.«
    Ich musterte sein Profil. »In der Gasse hast du mir aber etwas anderes erzählt.«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, zog an der Zigarette und stieß den Rauch aus. Ich atmete ihn ein, genoss den Duft. Das Schweigen des Jungen dauerte an. Ich griff in die Innentasche meiner Jacke, die ich mir übergeworfen hatte, bevor ich hochgegangen war, und zog eine Tüte M & Ms heraus. Ich riss sie auf und steckte mir ein paar davon in den Mund. Den Rest hielt ich dem Jungen hin. Er nahm sie nach kurzem Zögern.
    Schokolade tröstete. »Ich bin Maxine.«
    Mein richtiger Name entschlüpfte mir ganz unwillkürlich, was mich einen Moment lang in Angst versetzte. Ich musste mich zusammenreißen, um ruhig zu bleiben. Das war nicht einfach. Ich verlor die Kontrolle. Vielleicht hatte ich sie ja auch nie gehabt.
    »Ich heiße Byron«, sagte der

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