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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Junge. Ob es nun sein echter Name war oder ein erfundener, er passte jedenfalls zu ihm. Seine Augen wirkten alt, wie die eines Poeten.

    »Ich habe heute Abend seine Exfrau getroffen«, fuhr ich fort. »Brians Ex, meine ich. Sie heißt Sarai. Malt Einhörner.«
    »Ich habe nichts gesehen«, wiederholte er.
    »Du kanntest Brian Badelt. Das habe ich an deinem Blick erkannt.«
    Er antwortete nicht, und ich schwieg ebenfalls. Lange saßen wir stumm da. Nur mein Magen knurrte. Ich hatte nicht zu Abend gegessen, und die M & Ms hatten mich durstig gemacht. Ich hörte den Jungen kaum atmen. Er war nur ein blasses, hageres Gesicht im Schatten.
    »Tut mir leid, dass ich dich da reingezogen habe«, meinte ich schließlich. »Ich wusste nicht, dass so etwas passieren würde.«
    »Vielleicht war es dir ja egal.«
    »Es war mir nicht egal. Immerhin habe ich dich zurückgeholt.« Das war ein bisschen Wahrheit und ein bisschen Lüge. Aber der Junge sollte sich sicher fühlen, und zwar nicht nur, weil ich glaubte, dass er dann reden würde. Ich wollte einfach nur, dass er sich entspannte. Er sollte wissen, dass niemand ihm etwas tun würde. Keine Schmerzen, keine Belohnung, nichts, was er nicht aus seinem eigenen freien Willen wollte.
    Byrons Blick zuckte kurz zu mir. »Wie hast du das gemacht?«
    »Der verantwortliche Mann hat mich gefunden. Wir haben geredet. Er hat dich freigelassen.«
    »So einfach kann das nicht gewesen sein.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    Seine Augen verengten sich. »Du bist aber keine von denen.«
    »Nein.« Ich wusste zwar nicht, was » eine von denen« bedeuten sollte, ob er vielleicht die Mafia meinte, Kerle mit Kanonen und so, oder einfach nur die Monstrosität Gesellschaft, die sich auf ihn stürzte. »Ich bin noch viel furchterregender.«
    Seine Lippen zuckten. Ich beugte mich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Badelt hatte meinen Namen bei sich, als
er gestorben ist. Deshalb wollte ich mehr über ihn herausfinden. Ich wollte wissen, was er in dieser Gasse gewollt hat.« Ich betrachtete das Profil des Jungen, das von den Lichtern der Stadt schwach erleuchtet wurde. »Wollte er mit dir reden?«
    Byron schwieg. »Du wirst mir wahrscheinlich nicht glauben, wenn ich dir etwas verspreche«, fuhr ich fort. »Worte sind billig. Aber ich sage dir trotzdem eines: Ich werde dich zu nichts zwingen. Wenn du wegwillst, dann geh. Willst du schweigen, bleib stumm. Aber ich könnte deine Hilfe brauchen.«
    »Wo sind wir hier?«, erkundigte er sich.
    »Im Coop’s. Vielleicht hast du schon davon gehört. Es ist ein Obdachlosenheim in der Nähe von Chinatown. Es gehört dem Mann unten am Klavier. Er ist einer von den Guten. Du kannst so lange bleiben, wie du willst. Du bekommst ein eigenes Zimmer. Es gibt keine Bedingungen, es sei denn du hättest vor, mit Drogen zu handeln oder wilde Partys zu feiern.«
    Er warf mir einen scharfen Blick zu. »Das Angebot ist Blödsinn. Ich habe schon vom Coop’s gehört. Da bekommt keiner ein eigenes Zimmer.«
    »Einige schon. Spezialfälle. Wie du, wenn du willst.«
    Byron drückte seine Zigarette aus. »Es gibt nichts für umsonst. Außerdem wird mich jemand bei der Fürsorge melden. Das müssen sie tun.«
    »Du bist aus einem guten Grund nicht zu Hause?«
    Er zuckte mit den Schultern und verstaute den Zigarettenstummel sorgfältig in seiner Jackentasche. »Sonst wäre ich dort.«
    Klar. Blöde Frage. Ich lehnte mich zurück. Der Plastikstuhl war feucht, aber nicht annähernd so nass wie ich. Ich hätte einen Fluss aus meinen Klamotten wringen können.
    Der Junge fummelte nervös an seinem Sweatshirt und am Reißverschluss seiner Jacke herum. Seine Fingernägel waren schwarz lackiert und vollkommen abgekaut. Ich beobachtete
ihn, dann den Himmel. Dachte an Dämonen und Schleier. An alte Männer und Frauen. Geheimnisse.
    Ich spürte die Jungs um uns herum. Sie beobachteten uns aus den Schatten. Mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, das Mal hinter meinem Ohr zu befingern. Meine einzige Narbe.
    »Ich kann weg, wann immer ich will?«, fragte Byron.
    »Jederzeit. Wir werden vermutlich nach einer Weile anfangen, dich damit zu nerven, dass du in eine Schule gehen oder an einem anderen Programm teilnehmen sollst, aber niemand wird dich dazu zwingen. Und keiner wird dich rauswerfen, wenn du es nicht willst.«
    Er glaubte mir nicht, das sah ich an seinem Blick, was auch wenig überraschend war: vierzehn Jahre alt, vielleicht fünfzehn, lebte auf der Straße und hatte Augen so alt

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