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Gefährtin Der Finsternis

Titel: Gefährtin Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Blue
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zu perfekt, um zu einem Mann zu gehören. Aber er war kein feinsinniger Barde. Sie konnte unter dem groben, braunen Gewand, das er trug, seine kräftigen Schultern und Arme erahnen, und sie glaubte, den hellrötlichen Strich einer Narbe an seinem Hals zu erkennen, sein einziger Makel. Er sah sich im Kreise der Menschen auf dem Hof um, und schließlich traf sein Blick auf ihr Gesicht, dunkelbraune Augen mit dichten, schwarzen Wimpern.
    »Seid gegrüßt, Cousin«, brachte sie heraus, während sie vortrat. »Ich bin Isabel.«
    »Mylady.« Simon nickte und lächelte zum ersten Mal seit zehn Jahren, ohne darüber nachzudenken. Die kalte, ätherische Schönheit, die er auf den Zinnen gesehen hatte, erwies sich nun doch als ein herzliches, wirkliches Mädchen. Ihr erstaunlich rotes Haar rahmte ein hübsches Gesicht mit haselnussbraunen Augen und einer kecken, kleinen Nase ein, die mit Sommersprossen übersät war.
    »Eure Cousine«, korrigierte sie ihn und erwiderte sein Lächeln. Sie trat einen weiteren Schritt vor und umarmte ihn als einen Verwandten, und er glaubte einen Moment, verloren zu sein.
    Der Vampirhunger, von dem er gedacht hatte, dass er ihn zu kontrollieren gelernt hatte, flammte in einem einzigen Moment, durch eine unschuldige Berührung wieder auf. Als sie ihren warmen Körper an seinen presste, konnte er spüren, wie seine Augen ihre Farbe von Braun zu grünlichem Gold veränderten, konnte die Zähne scharf an seiner Zunge spüren. Er hatte seit seiner ersten Nacht als Vampir, seit seiner ersten schrecklichen Tötung, keinen solchen Hunger und solches Entsetzen mehr verspürt. Er wollte diese Frau zerstören, sie verschlingen, auch wenn sie arglos war. Er konnte sie bereits schmecken. Er zog sich entsetzt von ihr zurück, rang um Kontrolle.
    »Verzeiht mir«, sagte er, den Blick auf die Pflastersteine gesenkt, auf alles andere als ihr Gesicht, seine Stimme schroff, die Stimme des Dämons. »Ich kann nicht …«
    »Nein, mir tut es leid«, unterbrach Isabel ihn verlegen. Er klang so seltsam, und er hatte sich so heftig von ihr zurückgezogen, dass sie nicht wusste, was sie denken sollte. Sie hatte ihn berührt, ohne darüber nachzudenken, eine beiläufige, normale Grußgeste, aber sie hatte in diesem flüchtigen Moment etwas gespürt, eine Art angespannte, grausame Macht, die sie vielleicht geängstigt hätte, wenn sie sie noch länger gespürt hätte. Aber er hatte sie von sich geschoben, fast bevor sie erkannte, dass sie ihn überhaupt berührt hatte. »Ich hätte nicht …«
    »Nein, Liebste, bitte.« Das Kosewort entschlüpfte ihm, bevor er es verhindern konnte. Warum sollte es ihn so intensiv getroffen haben, solch einen Hunger bewirkt haben, dieses Mädchen zu berühren? Sie war hübsch, ja, aber was bedeutete das für seinen dämonischen Fluch? Er hatte auf seinen Reisen viele hübsche Mädchen berührt, Frauenzimmer in Tavernen und Huren, von denen die meisten seine Umarmung ohne weiteren Schaden mit einer gewissen Verwirrung und der Erinnerung an einen Traum verlassen hatten. Warum sollte seine angebliche Cousine so anders sein? Er ließ seinen Blick erneut zu ihrem Gesicht schweifen und musste fast lachen. Ihre Schönheit verbarg keines ihrer Gefühle. Sie glaubte ganz offensichtlich, er wäre von Sinnen. Vielleicht war es das, ihre Unschuld, ihr äußerster Mangel an Arglist. Frauenzimmer und Huren waren eine Sache, aber wie lange war es her, seit er ein wahrhaft argloses Mädchen berührt hatte? »Verzeiht mir, Cousine«, sagte er mit bewussterem Lächeln. »Im Vertrauen, es lag nicht an Euch.«
    »Mein Herr ist durch einen Schwur an eine Suche nach Erlösung gebunden, Mylady«, unterbrach Orlando sie. »Er will sich keinen näheren Kontakt gestatten, bis sie vollbracht ist.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Isabel und nickte, obwohl es für sie in Wahrheit überhaupt keinen Sinn ergab. Sie war müde, wie sie jäh erkannte. Sie hatte zwei aufeinander folgende Nächte nicht geschlafen, und nun wollten dieser Fremde und sein kleiner Freund unbedingt in Rätseln sprechen. »Eigentlich verstehe ich nicht«, verbesserte sie sich. »Aber es ist wohl nicht wichtig.« Sie blickte zu dem kleinen Mann hinunter, der neben ihrem Cousin stand. »Und wie heißt Ihr, Herr?«
    »Ich bin Orlando, Mylady.« Er berührte als seltsamen Gruß seine Stirn, bevor er sich vor ihr verbeugte. Tom hatte diesen Mann für ein Kind gehalten, und er war in der Tat so klein wie ein Kind. Aber tatsächlich war er alt, so alt wie

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