Gefährtin Der Finsternis
»Wer ist dieser Schwarze Ritter?«
»Warum?«, fragte sie erneut und wandte sich ihm zu. »Was wollt Ihr tun, um mich von ihm zu befreien? Ihn fortbeten?« Er sah einen Moment Angst hinter dem Temperament in ihren Augen, und dann wurde ihre Miene weicher. »Er hat Euch passieren lassen, das genügt.«
»Tatsächlich?«, fragte Simon, während sie sich wieder abwandte. Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt empfand er etwas, das er verloren geglaubt hatte, ein tieferes Mitgefühl als nur das nutzlose Mitleid eines Ungeheuers. Diese Isabel war tapfer und hübsch. Sie konnte vorgeben, herzlos und kalt zu sein. Aber im Inneren war sie verängstigt, das konnte er spüren – fast bis zur Verzweiflung verängstigt. Wäre er noch der Mann gewesen, der er einst war, hätte er nicht umhin gekonnt, seine Arme um sie zu legen und ihr den Mond und die Sterne zu versprechen, um sie zum Lächeln zu bringen. Aber dieser Mann war er nicht mehr. Er war ein Vampir. Er konnte ihr keinen Schutz bieten, nur eine schrecklichere Bedrohung, als sie ahnen konnte, viel schlimmer als das, was auch immer sie im Moment bedrohen mochte.
»Vielleicht hat er Eure Heiligkeit gefürchtet«, sagte sie mit kaum wahrnehmbarem Sarkasmus und unterbrach damit seine Gedanken. »Wie ich Euch schon von den Zinnen herab sagte, heißt es, er sei ein der Hölle entsprungener Dämon.«
»Und das könnte ich sehr wohl glauben, nachdem ich ihn gesehen habe.« Sie blickte zu ihm und sah, dass er sie betrachtete, wobei seine tiefbraunen Augen ihre Seele zu durchdringen schienen.
»Aber er hat niemals versucht, mir oder sonst jemandem auf Charmot zu schaden«, fuhr sie fort. »Er kommt nur, wenn ein Fremder auftaucht – Ihr und Euer Orlando seid die Ersten, die unsere Tore passiert haben, seit mein Vater vor über zehn Jahren starb.«
»Zehn Jahre?«, wiederholte Simon überrascht. Pater Colin hatte von Sir Gabriel gesprochen, als lebte er noch. Es war Simon niemals in den Sinn gekommen, er könnte schon so lange tot sein.
»Ja«, bestätigte Isabel, nickte und erhob sich, die Mauern plötzlich zu eng um ihre Schultern, so als schrumpfte der kleine Raum. »Und er hat nie von Euch gesprochen, Mylord, hat niemals erwähnt, dass wir Verwandte hätten, weder in Irland, noch sonstwo.« Sie wandte sich ihm wieder zu. »Ich nahm an, ich wäre allein.«
»Vielleicht wusste er es nicht«, antwortete Simon und erhob sich ebenfalls. Die Art, wie sie vom Alleinsein gesprochen hatte, berührte ihn weitaus mehr, als er zuzugeben bereit war, aber was auch immer die Probleme dieses Mädchens sein mochten, er konnte ihr nicht helfen. »Ich wusste nichts von Eurem Vater, Lady Isabel, oder von Charmot, als ich von zu Hause aufbrach. Ich zog im Dienste meines Herrn, Herzog Francis von Lyan, ins Heilige Land.« Sagt so weit die Wahrheit wie möglich, hatte Orlando ihm stets geraten, und er war ein weitaus geschickterer Lügner als Simon es jemals zu werden hoffen konnte, auch als Vampir. »In seinem Dienst wurde ich verflucht, sein Tod hat mich veranlasst, meine verlorene Ehre für die dunklen Mächte aufzugeben.«
»Verflucht?«, echote sie, nicht sicher, ob sie richtig verstanden hatte.
»Von Gott verflucht«, antwortete er. »Ihr spracht gerade von meiner Heiligkeit – ein grausamer Scherz, Mylady.« Er hätte einen Moment beinahe nach ihrer Hand gegriffen, hätte es fast riskiert, sie erneut zu berühren, ohne es zu erkennen. Aber das durfte nicht wieder geschehen, niemals. »Glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass nichts an mir heilig ist. Gott selbst hat mich vom Licht verbannt.«
»Hat er das wirklich?«, erwiderte sie leichthin. Warum beharrten die Angehörigen des Ritterstandes darauf, in Rätseln und Gedichten zu sprechen?, dachte sie. Einige der Herausforderer des Schwarzen Ritters hatten eine Stunde oder länger gezögert, bevor sie auch nur ihre Lanze zogen. »Dann müsst Ihr etwas ganz Besonderes sein, Mylord. Ich denke, die meisten von uns quält Er einfach wahllos.«
»Ich scherze nicht, Mylady«, antwortete er.
»Nein, das sehe ich.« In Wahrheit konnte niemand, der seine Augen sah, als er von diesem Fluch sprach, daran zweifeln, dass er ihn für wahr hielt. Aber es schien so albern, so extrem – was konnte ein Mensch schon getan haben, um den Allmächtigen Herrn zu erzürnen, wenn er nicht gerade eine Kirche niedergebrannt hatte? Und Simon schien ihr kaum ein Kirchenanzünder zu sein. »Verzeiht mir, Cousin. Ich will Euch nicht verspotten«, erwiderte sie.
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