Gefährtin Der Finsternis
Augenblick zuvor gefühlt hatte.
»Euer Herr schläft«, sagte sie und richtete sich mit all der ihr möglichen Würde auf. »Wenn er aufwachen sollte, bevor ich zurückkehre, dann sagt ihm, ich sei zur Kirche gegangen.« Sie nickte dem Zauberer noch einmal zu und ging dann an ihm vorbei die Treppe hinauf.
Simon setzte sich aufs Bett und konzentrierte sich, ohne nachzudenken, auf ihren allmählich verklingenden Herzschlag, während seine wunderschöne Beute wieder in die Sicherheit hinaufstieg. Er konnte Orlando unmittelbar vor der Tür spüren und hoffte, er besäße die Geistesgegenwart, dort zu bleiben – in seinem gegenwärtigen Zustand könnte er sogar den Zauberer angreifen, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme. Aber schließlich war Isabel fort. Die tödliche Trance, die bei Tageslicht sein natürlicher Zustand war, wenn er nicht gestört wurde, stahl sich wieder über ihn, raubte seinem Körper die Kraft, und er sank wie eine Marionette aufs Bett und fiel in tiefen Schlaf.
Isabel hatte die Kapelle des Heiligen Joseph seit dem Tod ihres Vaters vor zehn Jahren nur selten besucht. Sie sollte immerhin die Gefangene eines Dämons spielen. Aber sie hatte das Tor zum Kirchhof mitten am Tag noch nie geschlossen und verriegelt vorgefunden. Es war ein neues Tor, so wie es aussah – das Holz war noch frisch. Sie reichte Tom, der auf einer kleinen braunen Stute neben ihr ritt, Malachis Zügel, stieg ab und läutete die eiserne Glocke. »Meinst du, Pater Colin ist irgendwo hingegangen?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht, Mylady«, antwortete Tom unsicher. »Jemand hat heute Morgen die Frühandacht eingeläutet, als ich auf dem Weg nach Hause war.«
Die Tür im Tor wurde einen Spalt geöffnet. »Wer ist da?«, fragte Pater Colins Stimme, die recht fremd klang, ungeduldig und furchtsam zugleich.
»Pater Colin, ich bin es.« Sie trat zurück, damit sie durch den Spalt zu sehen war. »Isabel von Charmot.«
»Mylady!« Er öffnete die Tür weit und eilte hervor, um sie wie einen heimgekehrten, verlorenen Sohn zu umarmen. »Christus sei gepriesen, Ihr seid in Sicherheit!«
»Ja, einigermaßen«, bestätigte sie verwirrt. »Pater, was ist geschehen? Das Tor …«
»Irgendein Schurke hat sein Pferd das alte Tor niedertreten lassen«, erklärte er lebhaft, während er sie losließ. »Zumindest sagte der Schreiner, das müsse geschehen sein. Ich habe nichts gehört.« Er berührte ihre Wange, ein seltsames, geisterhaftes Licht in den Augen. »Keinen Laut …« Seine Miene hellte sich auf, und seine lebhafte Art kehrte zurück. »Aber rasch, Ihr beiden. Kommt herein.«
Sie folgten ihm durch die Gärten und den Eingangsraum in die Kapelle selbst. Die Fensterläden waren trotz der Wärme des Tages geschlossen, und alle Kerzen waren angezündet, wie für eine Weihnachtsmesse. »Verzeiht den üblen Geruch, Mylady«, sagte der Priester, während er die Tür hinter ihnen schloss und verriegelte. »Wir tun, was wir können, um ihn loszuwerden.«
»Welcher üble Geruch, Pater?« Zwei Bauersfrauen lagen auf Händen und Knien vor dem Altar, wie sie erkannte, und schrubbten den Boden. »Ich rieche nichts.«
»Ihr seid zu freundlich, Kind.« Er zündete eine weitere Reihe Kerzen an und schob sie näher an die arbeitenden Frauen heran. »Zuerst dachte ich, eine Ratte hätte ihren Weg in die Wand gefunden und wäre dort gestorben. Aber dann sah ich den Fleck.«
Isabel schaute zu Boden. »Den Fleck?«, echote sie höflich, verwirrter denn je. Die Steinplatten waren verschiedenfarbig, aber so waren sie immer schon gewesen, zumindest solange sie sich erinnern konnte. Es hieß, die Knochen von Römern seien darunter begraben, so alt seien sie. Vielleicht erschienen sie an der Stelle, wohin er deutete, ein wenig dunkler, aber sie konnte selbst bei all den Kerzen keinen großen Unterschied ausmachen.
»Es war noch viel schlimmer, als wir anfingen, Mylady«, sagte eine der Frauen. »Wir konnten den Fleck sehr gut sehen. Aber jetzt …« Sie brach ab, und ihr Blick schweifte zu dem Priester.
»Was ist geschehen?«, fragte Isabel. »Was war – ist – das für ein Fleck?«
Die zweite Frau schaute auf, die Augen ängstlich geweitet. »Blut.«
»Still«, fauchte Pater Colin, so dass Isabel überrascht zusammenzuckte. Sie hatte den Priester noch nie so scharf zu jemandem sprechen hören. »Lady Isabel will eure Torheiten nicht hören.« Die Frauen machten sich schweigend wieder an die Arbeit, und er lächelte Isabel zu. »Macht Euch
Weitere Kostenlose Bücher