Gefährtin Der Finsternis
Tod ihres Vaters niemanden seiner Gefolgsleute mehr hatte ausführen sehen. Sie liebten sie. Sie nannten sie »Mylady«. Aber für viele von ihnen würde sie nie mehr als ein Kind sein. »Isabel«, sagte Simon nun und wandte sich ihr wieder zu. »Wir können weiterreden, wenn ich zurückkomme.« Er nahm sie bei den Schultern, so sanft wie zuvor, und küsste sie auf die Wange.
»Wenn Ihr zurückkehrt«, korrigierte sie ihn. Derselbe Schauder, den sie stets verspürte, wenn er sie berührte, durchströmte sie erneut, aber nun störte es sie, war ein weiteres Zeichen ihrer Schwäche. War sie jetzt wie Susannah, die ausschließlich dafür lebte, sich den Kopf von irgendeinem gutaussehenden Mann verdrehen zu lassen, und für die alles andere unwichtig war? Charmot war in Gefahr. Sie hatte keine Zeit für solche Spiele.
Aber Simon lächelte, belustigt, nicht verärgert. »Ihr kränkt mich, Mylady«, neckte er. »Zweifelt Ihr an mir?«
»Warum sollte ich nicht?«, erwiderte sie. »Es ist nicht so, als ob ich Euch kennen würde.«
Sein Lächeln änderte sich kaum merklich, und ein dunkleres Licht trat in seine Augen. »Ihr habt Recht, kleine Cousine«, sagte er und ließ sie los. »Das tut Ihr nicht.«
»Also werdet Ihr diesen Malachi reiten, Herr?«, fragte Orlando.
Simon wandte sich von ihr ab und seinem Dienstboten mit demselben herausfordernden Lächeln zu. »Ja, Orlando, das werde ich.« Er nahm Isabels Hand und küsste sie erneut, dieses Mal weitaus unbekümmerter, und Brautus runzelte die Stirn. »Wir werden zurück sein, bevor Euer Abendessen kalt ist, Mylady.« Er verbeugte sich vor ihr und verließ die Halle, und Kevin folgte ihm.
»Kommt, Mylady«, drängte Susannah und eilte zu ihr, bevor jemand anderer etwas sagen konnte. »Wechseln wir zumindest Euer Gewand.«
Simon folgte Kevin auf den Hof, wobei er noch immer ein Maß an Zuversicht vorgab, das er gerne auch empfunden hätte. Er erkannte, dass Isabels Wolf offensichtlich keine Gefahr darstellte, zumindest nicht für ihn, aber das war seine geringste Sorge. Die Männer von Charmot schienen lächerlicherweise zu wünschen, dass er sie anführte – Kevin hatte ihn so rasch als »Mylord« angenommen, dass es ihn eher benommen machte. Als er dann aus dem Schloss trat, kam der junge Tom mit einem Schwert auf ihn zu. »Das war Sir Gabriels Schwert«, erklärte der Junge und reichte es ihm. »Da Ihr kein eigenes besitzt.«
»Danke«, erwiderte Simon und band es sich um, weil er nicht erkennen konnte, wie er es ablehnen sollte. Die Übrigen nickten oder bekundeten leise ihre Zustimmung. »Er ist immerhin der Verwandte des alten Lord«, hörte er einen von ihnen sagen.
Aber er war nicht Sir Gabriels Verwandter, oder auch nur ein Mensch, was das betraf – eine Lüge, mit der er für sich allein leben konnte. Aber etwas anderes tötete anscheinend die Unschuldigen in den Wäldern um Charmot. Etwas anderes als er. Das Mädchen, das sich ihm an der Kapelle des Heiligen Joseph so lieblich dargeboten hatte, hatte ein anderes Ungeheuer gefunden, das sie noch schlimmer behandelt hatte. Ob sie ihren Tod auf die gleiche Art willkommen geheißen hatte, wie sie ihn empfangen hatte? Er erschauderte bei der Vorstellung – und wer oder was hatte sie getötet? Es wurde ihm bewusst, dass er über den vergangenen Tag und die Nacht nachdachte und zu ergründen versuchte, ob er es getan haben könnte, als könnte ihm die Tötung eines wehrlosen Mädchens einfach entfallen sein. Aber natürlich war dem nicht so.
»Vorsicht, Mylord«, sagte Kevin, als sie bei den Pferden anlangten, und unterbrach so Simons Gedankengang. Der Stallbursche nahm die Zügel des wuchtigen, schwarzen Schlachtrosses, von dem Simon geglaubt hatte, es würde ihm den Schädel zerschmettern, als er zuerst auf Charmot eingetroffen war – Malachi, hatte Isabel ihn genannt. »Ich fürchte, Malachi findet nicht oft Gefallen an Fremden.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Simon und zwang sich zu lächeln. »Ich auch nicht.« Und außerdem war er ein Vampir. Kein Pferd würde ihn nahe genug herankommen lassen, um es zu berühren, ganz zu schweigen davon, ihn aufsteigen zu lassen. Er hatte Orlando gesagt, er würde dieses Tier reiten, aber das war die Stimme törichten Stolzes gewesen, nicht die Stimme der Vernunft. Jetzt beobachtete Malachi ihn, den großen Kopf warnend gesenkt, obwohl Kevin sich redlich bemühte, seinen Kopf anzuheben. Das Pferd scharrte warnend mit einem Huf und äußerte schnaubend sein
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