Gefährtin Der Finsternis
rasiert und gekleidet sah.« Sie drehte Isabel zu sich um und betrachtete offensichtlich kritisch das Gesicht ihrer Herrin. »Er ist viel zu fein für mich. Außerdem will er Euch.« Sie kniff Isabel in beide Wangen.
»Autsch! Bist du verrückt geworden?«, fragte Isabel und schlug ihre Hände fort.
»Ihr braucht Farbe …«
»Welche Farbe? Schwarz oder Blau?« Sie wandte sich wieder dem Spiegel zu, um den Schaden zu betrachten, und hielt überrascht inne. Sie sah besser aus, mit ihrem nur halbwegs geordneten Haar weicher und mädchenhafter. Selbst die dunklen Flecke, die Susannah auf ihren Wangen hinterlassen hatte, taten ihre verdiente Wirkung, auch wenn sie schmerzhaft waren. »Simon will mich nicht«, beharrte sie. »Er ist auf einer Suche …«
»O doch, das tut er, trotz seiner Suche.« Susannah lachte und räumte das beschmutzte Gewand fort. »Ich habe in solchen Angelegenheiten ein wenig mehr Erfahrung als Ihr, Mylady. Ihr werdet mir einfach vertrauen müssen.«
»Ich werde nichts dergleichen tun«, erwiderte Isabel und wandte dem Spiegel den Rücken zu. »Ich brauche einen Beschützer für Charmot, Susannah, keinen Ehemann.«
»Ist das nicht beides dasselbe?«, fragte das Dienstmädchen unbeirrt, während sie Isabel die Hausschuhe brachte.
»Nein, das ist es nicht.« Ihr Vater hatte auch so gedacht, und der König ebenfalls, wie sie vermutete – er hatte ihr ausreichend viele verheißungsvolle Interessenten geschickt, um sie das glauben zu machen. Aber der Gedanke schien ihr dennoch falsch, dass sie und Schloss Charmot im Wesentlichen dasselbe wären, ein fester Bestandteil eines einzigen Siegespreises oder einer Bürde. »Ich möchte, dass mein Ehemann mich liebt, Susannah, und nicht nur mein Schloss.«
Das andere Mädchen lächelte. »Dann solltet Ihr besser damit beginnen, Euer Haar ein wenig häufiger zu bürsten und bessere Kleidung zu tragen.«
»Muss ich das tatsächlich?« Also konnte sie entweder ein Schloss oder eine Frisur und ein Gewand sein. Hatte Susannah Recht? Sah Simon sie so? Und Brautus auch – sein erster Gedanke war gewesen, dass Simon sie zu bezaubern versuchte, um an Charmot zu kommen. »Genug«, entschied sie. »Ich gehe nach unten.«
Simon kam im Galopp über die Zugbrücke zurück, folgte dem Wagen, mit dem Kevin vorausgefahren war. »Sie sind hier!«, hörte er jemanden von den Zinnen rufen. »Sie sind zu Hause!«
Kevins Frau, Hannah, kam ihnen eilig entgegen und warf sich in die Arme ihres Mannes, sobald seine Füße den Boden berührt hatten. »Ist schon gut, Mädchen«, beruhigte er sie lachend und umarmte sie dennoch fest. »Wir haben nichts gesehen.«
Isabel trat auf die Treppe hinaus und zählte lautlos die Häusler, während die Frauen und Kinder vom Wagen kletterten und in die Arme ihrer Männer sanken. Anscheinend fehlte niemand, nicht einmal die uralte Mutter Bess, Kevins Großmutter, die ihre Kaminecke nicht mehr verlassen hatte, seit Isabel auf der Welt war. »Wir haben sie alle hergebracht, Mylady«, sagte Raymond und gesellte sich zu ihr. »Die meisten hatten es bereits gehört und kamen nur allzu gerne mit, als sie die Eskorte zu ihrem Schutz sahen, und Sir Simon hat die Übrigen überzeugt.«
»Tatsächlich?« Simon saß noch immer auf Malachi. Es wirkte so, als wäre er im Sattel geboren worden, als wären Malachi und er eine Einheit. Warum war er also ohne eigenes Pferd auf Charmot eingetroffen? »Wie hat er das gemacht?«
»Er sagte ihnen, die Wälder seien nicht sicher und dass Ihr ihn mit der Aufgabe betraut hättet, sie ins Schloss zu bringen«, antwortete Raymond. »Ich kann Euch nicht erklären, wieso sie das überzeugt hat, aber das hat es. Die blinde, alte Mutter Bess hatte ihrem Enkel bereits gesagt, er könne sich auf den Kopf stellen, aber sie würde sich nicht von einem Tier aus ihrem Haus vertreiben lassen, auch wenn es ein Wolf sei. Aber als Sir Simon mit ihr sprach, sagte sie ganz nachgiebig: ›Wie Ihr wünscht, Mylord.‹«
Simon sah, dass Isabel ihn beobachtete, und winkte. Sie hatte ihr Gewand gewechselt, wie er sah, und ihr Haar war verändert, und als sie zurückwinkte, lächelte sie beinahe. Aber etwas bereitete ihr noch immer Sorgen, das konnte er erkennen. Etwas, das mehr war als ein Wolf im Wald. Während er hinsah, trat auch Orlando aus dem Schloss. Er berührte Isabel am Arm und sprach mit ihr, aber sein Blick ruhte auf Simon, die Bedeutung war unmissverständlich. Sie hatten keine Zeit, Bauern zu retten, nicht wo der
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