Gefährtin Der Finsternis
Schönheit.« Seine Miene wurde ernst. »Sie starb jedoch, als ich drei Jahre alt war, von einem sächsischen Räuber ermordet, so dass ich sie nicht glücklich nennen würde.«
»Simon, lieber Gott«, sagte sie und streichelte sein Haar. »Wie schrecklich.«
Er versuchte zu lächeln, aber es misslang kläglich. »Es hieß immer, ich hätte es gesehen, aber ich erinnere mich nicht daran. Ich erinnere mich nur, dass ich mich danach fühlte, als sollte ich auch sterben, als ob die Welt alles verloren hätte, was gut in ihr war.« Er hatte hierüber noch nie mit jemandem gesprochen, nicht einmal mit seinem Vater. Aber es erschien ihm natürlich, es ihr jetzt zu erzählen. Sie blickte zu ihm hinab, ihre Augen sanft und warm vor Mitgefühl und sogar im Dunkeln wunderschön. Wie wäre es, im Sonnenlicht zu erwachen und diese wunderschönen Augen zu sehen?
Er zog sie zu sich herab und küsste sie, sanft, aber intensiv. »Du irrst dich, Lieber«, sagte sie weich, als er sie losließ. »Die Welt kann noch immer gut sein.«
Er lächelte ihr zu. »Das merke ich.« Sie legte sich wieder mit dem Kopf auf seine Brust, ihre Arme waren um ihn geschlungen, und gähnte erneut. »Du solltest schlafen«, sagte er ihr und befreite ihr Haar, bevor es sich hoffnungslos verknotete.
»Ich kann nicht«, protestierte sie, noch immer gähnend. »Die anderen werden bald nach Hause kommen, und ich kann nicht zulassen, dass sie uns so finden.« Sie zwang sich, ihn gehen zu lassen. »Außerdem«, fuhr sie fort, »wird Orlando dich vermissen.«
Orlando, dachte er, und erinnerte sich. Orlando war noch immer in den Katakomben eingeschlossen, prophezeite zweifellos Unheil und verfluchte den Namen des Vampirs. Und das Schlimmste war, dass er wahrscheinlich mit beidem Recht hatte. »Oh, das bezweifle ich«, log er lächelnd. »Schlaf ein. Ich werde wach bleiben.«
»Nein«, beharrte sie, nun so schläfrig, dass dieses eine Wort schon fast zu viel für sie war. »Du musst gehen.«
»Das werde ich«, versprach er und küsste ihre bloße Schulter. »Ich werde gehen, bevor jemand zurückkommt.« Sie lächelte, antwortete aber nicht, da sie bereits eingeschlafen war. Er küsste ihre Wange, und sie regte sich kaum, ein leises Schnarchen brachte ihn zum Lächeln. »Ich liebe dich«, flüsterte er und legte sich neben sie. »Ich liebe dich, Isabel.«
9
Isabel verschlief den größten Teil des nächsten Tages, weil sich niemand die Mühe machte, sie zu wecken. Als sie die Treppe herunterkam, waren die alltäglichen Haushaltstätigkeiten schon voll im Gange, fast so, als ob die ausgelassenen Lustbarkeiten der vorangegangenen Nacht niemals stattgefunden hätten. »Guten Morgen, Mylady«, sagte Hannah und stellte das Frühstück vor sie hin. »Ihr müsst gut geschlafen haben.«
»Ja, zu gut«, antwortete Isabel und bemühte sich, beiläufig zu klingen. »Warum hat mich niemand früher geweckt? Die Mittagszeit muss schon vorbei sein.« Sie hatte sich besonders sorgfältig angekleidet, hatte sich versichert, dass ihr Gewand sauber und ihr Haar unter einem Tuch verborgen war, so dass sie aller äußeren Erscheinung nach dieselbe ehrbare junge Frau war, die sie alle am Abend zuvor zurückgelassen hatten. Aber sie hatte noch immer das Gefühl, als müsste sie irgendeine Art sündige Glut vertreiben, als müssten alle sie hinter ihrem Rücken anstarren, einander erschrocken darüber ansehen, dass sie sich in eine Dirne verwandelt hatte. Alles um sie herum war verändert. Wie konnte sie hoffen, es zu verbergen?
»Schon lange«, sagte Hannah lächelnd. »Brautus muss Euch mit seinen Kriegsgeschichten die halbe Nacht wachgehalten haben.«
»Nein, er ging früh zu Bett.« Sie nahm einen Bissen Brot, trotz ihrer blankliegenden Nerven ausgehungert. Tatsächlich fühlte sie sich fast empörend wohl, nur dass manche Stellen ein wenig schmerzten, aber wenn sie darüber nachdachte, würde sie gewiss heftig erröten. »Das haben wir beide getan.« Sie musste seltsam wirken, ihre Stimme klang in ihren Ohren hohl und falsch, gar nicht wie sie selbst. Aber Hannah schien es nicht zu bemerken. »Ich muss einfach müde gewesen sein.«
»Das sollte mich nicht wundern«, sagte Hannah und nahm ihre Spinnerei wieder auf, »nicht nach all den Sorgen, die Ihr in letzter Zeit hattet. Ihr seid eine sehr tapfere Frau, Mylady.«
»Es geht mir gut.« Ich bin verliebt, wollte sie hinausposaunen. Ich habe einen Geliebten, kannst du das glauben? »Wie war der Tanz?«, fragte sie
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