Gefaelschtes Gedaechtnis
einen Knopf, und der Tisch rollte in die Röhre hinein, verschluckte ihn. Er spähte durch das Plastikgitter und sah, dass er nur etwa zwanzig Zentimeter vom Röhrendach entfernt war. Doch dann fuhr der Tisch nach oben und hob ihn an, bis zwischen seinem Gesicht und der Decke nur noch knapp fünf Zentimeter Platz waren.
Er atmete tief durch. Du bist an deinem sicheren Ort, sagte er sich — und drückte den Panikknopf — fest. Ein Signal schrillte. Die Schwester kam angerannt. Der Tisch fuhr runter und rollte zurück.
Er hörte Geflüster, und schließlich brachte man Duran zurück ins Untersuchungszimmer. Dort gab ihm ein junger Mann mit kahl rasiertem Schädel und einem Goldring durch die Nasenscheidewand eine Spritze, die ihn, wie er sagte, entspannen würde. Und tatsächlich. Der Rest des Vormittags und ein Großteil des Nachmittags kamen ihm zwar nicht gerade wie ein Traum vor, aber wie ein Dokumentarfilm. Freihandkamera. Schwarzweiß. Keine Handlung.
Duran konnte sich nicht mehr erinnern, wie viele Tests er gemacht oder wie oft seine Venen »befühlt« worden waren.
Der letzte Test war die PET-Untersuchung. Azteken-Charlie — so wurde er in der Klinik genannt — erklärte Duran, dass PET die Abkürzung für Positron Emission Tomography war. »Das heißt im Grunde«, sagte er, »dass wir Sie hiermit ausleuchten werden.« Er nahm eine Spritze aus einer Aluminiumschale. »Das sind radioaktive Isotope<, erklärte er. »Die beleuchten Ihr Gehirn, damit der Doc sich ansehen kann, was los ist.« Er klopfte mit dem Fingernagel gegen die Spritze und bat Duran, sich auf einen mit Papier abgedeckten Tisch zu legen.
Er tat es und spürte den Einstich kaum.
Zwei Stunden später betrat er einen kleinen Besprechungsraum der Klinik, wo Adrienne und Doctor Shaw ihn schon erwarteten.
Ein Dutzend Bilder, Querschnitte von Durans Gehirn, hingen an einer Reihe von Leuchtschirmen an der Wand. Shaw hielt einen Zeigestock in der Hand, ging von einem Bild zum anderen und tippte auf einen kleinen hellen Fleck in einem Meer aus Grau.
»Genau hier«, sagte er. »Und hier. Und hier. Und auf dem da kann man es auch sehen!«
»Wie ein Reiskorn«, sagte Adrienne.
»Was ist das?«, fragte Duran.
Shaw überlegte kurz, runzelte die Stirn und sagte: »Ich weiß es nicht.« Dann fügte er beruhigend hinzu: »lch kann Ihnen nur sagen, was es nicht ist. Es ist kein Gewebe, es ist kein Knochen oder Nerv. Und es ist auch kein Blutgerinnsel. Was bedeutet, dass es ein >fremdes Objekt< ist, also etwas, das wir auch dann noch nicht identifizieren können, wenn wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben.« Der Arzt blickte nachdenklich und stockte. Eine der Neonröhren an der Decke zischte. »Sie erinnern sich nicht vielleicht daran, dass Sie mal eine Kopfverletzung hatten?«, fragte er Duran hoffnungsvoll. »Vielleicht ein Autounfall? Waren Sie beim Militär? Ein Flugzeugabsturz?«
Duran erwiderte trocken. »Soweit ich mich erinnere, nicht.«
Shaw lächelte. »Sehr lustig.«
»Moment mal«, warf Adrienne ein und sah Shaw an. »Vermuten Sie etwa, dass —«
»Eine physische Verletzung die Ursache für seinen Zustand ist?« Shaws Gesicht verzog sich zu einem übertriebenen Ausdruck der Ratlosigkeit. »Sagen wir mal ... es ist eine Arbeitshypothese.« Er deutete auf die Aufnahmen. »In der Geschichte der Psychologie und Neurobiologie gibt es viele Beispiele dafür, wie physische Traumata das Gedächtnis beeinflussen können. Tatsächlich haben wir einige der aufschlussreichsten Informationen über das Erinnerungsvermögen aus Unfällen gewonnen — verrückte Unfälle mit schweren Hirnverletzungen. Was eigentlich nicht verwunderlich ist. Schließlich kann man so etwas nicht als Experiment in einer Klinik durchführen.« Shaw trommelte einen kurzen Rhythmus auf der Tischplatte.
»Ist es möglich«, fragte Adrienne, »dass dieses Ding Jeffs Gedächtnis beeinträchtigt?«
Shaw nickte. »Absolut«, sagte er. »Das ist durchaus möglich.«
»Aber Sie können es nicht mit Sicherheit sagen«, wandte Duran ein.
»Nicht, ohne es zu untersuchen.« Shaw sah die Enttäuschung auf Adriennes Gesicht und schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. »Das Gedächtnis ist ein seltsames Ding«, erklärte er ihr. »Die meisten Menschen meinen, wir speichern Erinnerungen im Gehirn, wie Bibliothekare Bücher lagern — nebeneinander, nach bestimmten Kategorien. Aber das stimmt nicht. Wir wissen, dass es nicht stimmt, weil wir entsprechende Experimente
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