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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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»Am Telefon kann man jemanden leicht abwimmeln. Wenn ich erst mal drin bin, ist es nicht so einfach.«
    »Wenn du in fünfzehn Minuten nicht wieder da bist, komme ich rein«, versprach er. »Und dann hab ich nicht bloß einen Karton in der Hand.«
    Sie nickte. »Eric Branch. Eric Branch. Eric Branch«, sagte sie, drehte sich um und ging auf das Haus zu.
    McBride sah auf die Uhr. Es war 14:36.
    Er zwang sich, um Gebäude zu schauen, sah, wie Adrienne an der Tür klingelte, sah, wie die Tür aufging, erhaschte einen Blick von einer Frau in der Tür, sah, wie Adrienne eintrat.
    Er fror. Es war eiskalt. Und die Zeit wurde nicht einfach bloß langsamer, sie wurde so froststarr wie das Wetter. Er stand auf der anderen Straßenseite, gegen einen Baum gelehnt. Und er kam sich sehr auffällig vor, mit dem sperrigen Karton unter dem Arm, den Blick auf die Tür des Hauses gegenüber geheftet.
    Plötzlich wollte er nicht mehr, dass Opdahl da war. Irgendetwas an dem Gebäude, das er beobachtete, weckte Urängste in ihm — als würde er mitten in der Nacht aufwachen und eine Schlange über den Boden kriechen sehen. Die Angst kam aus dem tiefsten, instinktivsten Teil von ihm, aus einer Region im Gehirn, die nichts mit rationalem Denken zu tun hatte, sondern nur mit Überleben.
    Und dann erinnerte er sich plötzlich. Beim Anblick des Gebäudes auf der anderen Straßenseite erinnerte er sich an den Traum, den er am Vormittag gehabt hatte, aus dem Adrienne ihn herausgerissen hatte. Und plötzlich wusste er, wer der Mann ohne Gesicht war.
    Er war im Institut gewesen, um mit Opdahl zu sprechen — und er war überwältigt worden. Von einem Mann mit einem Betäubungsspray. Er erinnerte sich an eine Spraywolke und dann an den Fußboden, auf den er mit dem Gesicht aufschlug. Er erinnerte sich an die lange Fahrt im Krankenwagen, die nachlassende Betäubung, die Bahre, die über Kies knirschte, als sie ankamen.
    Dann der Operationssaal, wo Gunnar ihm mit einer Stablampe in die Augen leuchtete. Der stämmige Norweger im OP-Anzug und Kappe auf dem Kopf. Und neben dem Operationstisch der Monitor. Auf dem ein ausdrucksloser McBride in Nahaufnahme zu sehen war, während ihm das Gesicht abgeschält wurde— bis es nicht mehr da war. McBride konnte den Schrei spüren, der ihm im Hals aufstieg und dann vom Luftröhrenschlauch aufgesaugt wurde, was seine Panie in ein leises Gurgeln verwandelte, ln der Nähe schnaufte eine Maschine, atmete für ihn. Er wollte die Augen schließen, aber es ging nicht. Und irgendwo in alldem sagte Opdahl: »Ein Muskelrelaxans, aber ... kein Narkotikum. Sie sind sehr tapfer.«
    Tapfer?
    McBride durchlief es eiskalt, und er sah auf seine Uhr. 14:48. Etwas über zwölf Minuten, dachte er, wieso dauert das nur so lange ... sie müsste inzwischen wieder da sein! Es sei denn, Opdahl hatte ein Foto von ihr — was unwahrscheinlich war, aber nicht ausgeschlossen. McBride sah ein zweites Mal auf die Uhr. 14:49.
    Verdammt, grollte er und setzte sich in Bewegung.
    Er war schon halb den Bürgersteig hinauf, als die Tür aufging. Er blieb stehen, fing sich und versuchte, entspannt zu wirken. Adrienne stand in der Tür, neigte den Kopf zu einer Frau in Grün. Die Frau blickte an Adrienne vorbei auf McBride. Adrienne neigte erneut den Kopf, machte eine erklärende Geste. Er konnte die Lebhaftigkeit in ihrem Gesicht sehen, das Blitzen der Augen, das weiße Schimmern der Zähne. Und dann drehte sie sich um, ihre Hand hob sich zu einem ­ flüchtigen Winken, während sie die Stufen herunterkam. Die Tür schloss sich. »Was ist los?«, fragte Adrienne.
    »Lass uns abhauen«, sagte McBride.
    Er wollte wissen, ob Opdahl im Institut war. Weil er ihn umbringen wollte. Aber nicht im Beisein von Adrienne. Er scheuchte sie regelrecht zur Straßenbahnhaltestelle.
    Erst als sie das kleine Wartehäuschen erreichten, fragte er sie: »War er da?«
    Sie sah ihn forschend an, antwortete nicht. »Du siehst aus, als wäre dir ein Geist erschienen.«
    »War er da?«
    »Beruhige dich. Was ist denn los mit dir?«
    »Tut mir Leid«, sagte er. »Das waren die schlimmsten zehn Minuten meines Lebens.«
    Sie verzog das Gesicht, »Nein«, sagte sie. »Er war nicht da.«
    »Aber er kommt doch«, sagte McBride mit hoffnungsvoller Stimme.
    »Erst am Dienstag.«
    Seine Enttäuschung war greifbar.
    »Keine Sorge«, sagte sie mit leicht selbstzufriedenem Unterton. »Ich weiß, wo er ist: in der Klinik in Spiez.«
    McBride nickte, als eine Bahn durch den leise

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