Gefaelschtes Gedaechtnis
fallenden Schnee auf sie zugerumpelt kam.
»Also?«, fragte Adrienne.
»Also ... was?«
»Wie weit ist es bis Spiez?«
40
B is Spiez waren es nur etwas über hundert Kilometer, aber die Straßen waren vereist. Die Landschaft war atemberaubend, verschneite Wilder, die Alpen unter einem bleiernen Himmel. Mit ihrem gemieteten BMW brauchten sie knapp drei Stunden für die Strecke, sodass sie erst weit nach Einbruch der Dunkelheit ankamen.
Dennoch konnten sie sehen, dass Spiez ein schönes Städtchen war, mit einer Burg direkt am See, schickem Jachthafen und Blick auf die Jungfrau. Die Straßen oberhalb des Sees waren, schmal, kurvenreich und hügelig, und sie mussten zweimal nach dem Weg fragen.
Ihr Hotel, das Belvedere, bot Aussicht auf den Jachthafen. Sie hatten es aus einem Reiseführer in der Lobby des Florida herausgesucht und sich trotz der horrenden Preise dafür entschieden, weil es ganz in der Nähe der Prudhomme-Klinik lag, sogar auf derselben Straße.
Wie sich herausstellte, lag die Klinik, eine graue, strenge, minimalistische Festung aus gegossenem Beton, direkt neben dem Hotel, einer Villa im Beaux-Arts-Stil mit Kuppeln und Türmchen. »Sehen wir mal nach, was sie für Sicherheitsvorkehrungen haben«, schlug McBride vor und bog auf den Hof der Klinik, wo der Kies unter den Reifen unangenehm vertraut knirschte. Plötzlich explodierte die Nacht in gleißendes Licht, und ein Mann erschien im Eingang. »Nicht schlecht«, sagte McBride, fuhr im Bogen zurück auf die Straße und direkt auf den Parkplatz nebenan.
»Aber jetzt haben sie uns gesehen!«
McBride schüttelte den Kopf, während er den Wagen parkte. »Sie werden denken, wir sind falsch abgebogen.«
Und dann waren sie in ihrem Zimmer mit Blick auf den See und die Berge, deren Umrisse sich gegen die Dunkelheit abhoben. Adrienne setzte sich auf das große, bequeme Bett und bewunderte die luxuriöse Einrichtung, während McBride am Fenster stand und auf die Lichter am anderen Ufer des Sees schaute.
»Komm, lass uns was essen«, sagte er, und Adrienne war prompt einverstanden. Sie gingen zur Rezeption, gaben den riesigen Schlüssel zu ihrem Zimmer bei einer modisch gekleideten Frau ab, und McBride sagte: » Ich hätte da mal eine Frage. Das Gebäude nebenan — ist das eine Klinik oder so?«
»Die Prudhomme-Klinik. Da werden überwiegend junge Leute behandelt.«
»Was fehlt ihnen denn?«, fragte Adrienne.
Die Frau zuckte die Achseln. »Ich glaube, sie haben Essprobleme. Sie sind nämlich ziemlich abgemagert.«
»Sie meinen, sie sind magersüchtig«, sagte McBride.
»Ja. Und ich glaube, einige haben auch Drogenprobleme — aber ich hoffe, Sie sind jetzt nicht beunruhigt —«
McBride schüttelte den Kopf. »Nein, nein — die Sicherheitsvorkehrungen da sind bestimmt bestens.«
»Absolut. Die Klinik ist sehr diskret. Wir haben eine angenehme Nachbarschaft — obwohl die Architektur zu wünschen übrig lässt.«
Sie gingen in den vornehmen Speisesaal des Hotels, wo sie von einer freundlichen Kellnerin zu einem Tisch mit Blick auf den See geleitet wurden. Sie entzündete die Tischkerze und trat einen Moment zurück, als wollte sie die gestärkte Leinendecke und das schimmernde Silberbesteck bewundern.
Dann wandte sie sich ihnen zu. »Wenn ich Ihnen vielleicht etwas empfehlen darf? Der Fisch aus unserem See ist ...« Sie legte die Fingerspitzen an den Mund und küsste sie. »Einfach delikat.«
Es dauerte nicht lange, und der erste Gang kam. Eine Suppe mit Pilzen und Schinken und einem herrlich rauchigen Geschmack. Dann wurde der Fisch serviert. Dazu gab es winzig kleine weiße Kartoffeln und Spargel. Die Flasche kühler Muscadet passte einfach wunderbar. Es war, da waren sie sich einig, eine der köstlichsten Mahlzeiten, die sie je gegessen hatten — und sie genossen sie ausgiebig. Zum krönenden Abschluss bestellten sie Cognac und Espresso. McBride hob sein Glas und sagte: »Auf uns.«
Sie brachte ein zaghaftes Lächeln zu Stande, hob ebenfalls ihr Glas und stieß mit ihm an. Sie tranken einen Schluck. »Ich wünschte, das alles hier wäre real«, sagte sie nachdenklich. »Ich wünschte, wir wären einfach hier zusammen.« Sie blickte nach unten, als würde sie das Tischtuch studieren.
»He«, sagte er. »Es ist real. Und wir sind hier.«
»Ich würde am liebsten sagen, vergessen wir die Sache, hauen wir einfach ab, irgendwohin — Indonesien, Madagaskar —, verschwinden wir einfach. Vielleicht
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