Gefahrenzone (German Edition)
zum Zweck. Er sollte ausländisches Geld ins Land locken, um die Kommunistische Partei zu stärken und nicht um sie zu untergraben.
Nach Chinas kurzem Krieg mit Russland und den Vereinigten Staaten befürchteten viele, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten das Land ruinieren würden. Am Horizont drohten bereits Hungersnöte und der vollständige Zusammenbruch der gesamten Infrastruktur, was anarchische Zustände zur Folge hätte. Allein die kluge Wirtschaftspolitik von Wei und gleichgesinnten Genossen verhinderte den Kollaps des Riesenreiches. Wei setzte sich für die schnelle Erweiterung der Sonderwirtschaftszonen und die Errichtung Dutzender kleinerer Freihandelsgebiete ein, und das Politbüro stimmte in seiner Verzweiflung zu.
Weis Planungen wurden zur Gänze umgesetzt. Chinas Quasi-Kapitalismus erlebte ein rasantes Wachstum, und Wei, der Chefarchitekt der Finanzreformen, wurde für seine Arbeit belohnt. Seine Erfolge machten ihn zusammen mit seinem Prinzling-Status und seiner politischen Abstammung zum natürlichen Anwärter auf das Amt des chinesischen Wirtschaftsministers im siebzehnten Politbüro. Nachdem er die Leitung der nationalen Finanzpolitik übernommen hatte, wies die chinesische Wirtschaft anfangs zweistellige Wachstumsraten auf. Es sah so aus, als ob dieser Aufschwung noch lange weitergehen würde.
Aber dann platzte die Blase.
Kurz nach Weis Amtsantritt begann eine lang anhaltende Weltwirtschaftskrise. Die Auslandsinvestitionen in China und der chinesische Export gingen stark zurück. Diese beiden Faktoren, die Wei regelrecht revolutioniert hatte, waren jedoch die Hauptantriebskräfte des gewaltigen Wirtschaftsaufschwungs gewesen. Die Geldquellen versiegten zusehends.
Auch der von Wei in die Wege geleiteten weiteren Ausdehnung der SWZ gelang es nicht, die Abwärtsspirale in die Katastrophe zu stoppen. Der von China getätigte Kauf von Immobilien und Währungsterminkontrakten in der ganzen Welt wurde zu einer Geldvernichtungsmaschine, als die europäische Finanzkrise ausbrach und die amerikanische Immobilienblase platzte.
Wei wusste, was ihm nun blühte. Seine früheren erfolgreichen Freihandelsreformen würde man jetzt gegen ihn verwenden. Seine politischen Gegner würden sein Wirtschaftsmodell als Fehlschlag darstellen und behaupten, dass Chinas wachsende Geschäftsbeziehungen mit dem Rest der Welt das Land den Infektionskrankheiten des Kapitalismus ausgeliefert habe.
Minister Wei versuchte deswegen, die Wahrheit über das gescheiterte chinesische Wirtschaftsmodell zu vertuschen, indem er gewaltige staatliche Bauprojekte in Angriff nahm und den Provinzregierungen hohe Kredite verschaffte, mit denen sie ihre Infrastruktur durch den Bau oder die Renovierung von Straßen, Gebäuden, Häfen und Telekommunikationsnetzen verbessern sollten. Diese Investitionen waren ein Rückfall in das alte kommunistische System einer zentralen Wirtschaftsplanung.
Doch auf dem Papier sah alles gut aus, und Wei präsentierte in den Politbürositzungen drei Jahre lang beeindruckende Wachstumsraten. Selbst wenn diese nicht so hoch waren wie in den ersten Boomjahren nach Kriegsende, betrugen sie doch immer noch respektable acht oder neun Prozent. Es gelang ihm, sowohl das Politbüro und die chinesischen Provinzregierungen als auch die Weltpres se mit seinen Fakten und Zahlen zu blenden, die genau das zu beweisen schienen, was er der ganzen Welt glauben machen wollte.
Wei wusste jedoch, dass alles nur Schall und Rauch war, da diese ausgeliehenen Gelder niemals zurückgezahlt werden würden. Die Nachfrage nach chinesischen Exportwaren war inzwischen fast völlig versiegt, die Verschuldung der Regionalverwaltungen war auf siebzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen, und fünfundzwanzig Prozent aller chinesischen Bankkredite waren faul. Trotzdem forderten Wei und sein Ministerium alle staatlichen Stellen und die Wirtschaft zu weiteren Kreditaufnahmen, noch höheren Ausgaben und weiteren Großbauprojekten auf.
Das Ganze war ein verdammtes Kartenhaus.
Während Wei die Wirtschaftsprobleme seines Landes verzweifelt zu vertuschen suchte, fegte ein weiteres beunruhigendes Phänomen wie ein Taifun über sein Reich.
Man nannte es die Tuidang-Bewegung.
Nach der völlig ungenügenden Reaktion der Zentralregierung auf ein schweres Erdbeben, das viele Opfer gefordert hatte, gingen im ganzen Land empörte Bürger auf die Straße. Der Regierung gelang es jedoch, die Proteste zurückzudrängen. Wenngleich sie dabei
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