Gefahrliche Sunden
verstehen. Stattdessen wurde sein zuvor so warmer, liebevoller Blick plötzlich kalt wie Eis, sein Mund bildete einen grimmigen schmalen Strich, und er starrte sie reglos an.
Sie leckte sich nervös die Lippen und erklärte: »Ich ⦠ich muss los. Er ⦠vielleicht schaffe ich es heute Abend irgendwann, mit ihm zu reden. Ich â¦Â«
»Egal, Jordan. Es spielt keine Rolle, ob du mit ihm sprichst«, erklärte er ihr kalt. »Ich verstehe vollkommen.« Wobei sein Ton verriet, dass er keineswegs verstand. Er war auÃer sich vor Zorn. Das verrieten die angespannten Muskeln in seinem Gesicht.
Henri machte einen Schritt nach vorn und verbeugte sich leicht vor ihm. »Mr Grant, Sie soll ich zum Büro von Mr Eckherdt fahren, sobald ich Mrs Hadlock zu Hause abgesetzt habe.«
»Nein, danke, Henri«, lehnte Reeves das Angebot kopfschüttelnd ab. Allerdings blickte er bei den Worten nicht auf den Chauffeur, sondern starrte nach wie vor Jordan böse an. »Ich entscheide immer selber, was ich tue oder nicht.«
Ohne ein weiteres Wort und mit einem letzten verächtlichen Blick auf sie stapfte er durch das Gedränge der Leute, die versuchten, noch die Fähre zu besteigen, ehe sie gleich weiterfuhr, davon.
6
Der Abend zog sich endlos hin. Gastgeber des Essens waren ein Unternehmer aus Stockholm und seine Frau. AuÃer Jordan und Helmut hatten sie nur noch zwei weitere Paare eingeladen. Offiziell war es ein privates, geselliges Zusammensein, in Wahrheit aber ging es ums Geschäft.
Sobald das Essen in einem der privaten Speisesäle des Palace-Hotel beendet war, zog sich die Gruppe in die Suite der Gastgeber zurück, wo die Männer um einen Spieltisch saÃen und einen Fusionsvorschlag besprachen, während die Frauen, die nicht einmal alle dieselbe Sprache sprachen, auf den förmlichen Sofas saÃen und versuchten, einander nicht zu Tode zu langweilen. Die anderen Frauen sprachen alle deutsch, und auch wenn Jordan die Sprache ein wenig gelernt hatte, bekam sie doch nicht sämtliche Nuancen des Gespräches mit. Doch im Grunde war ihr das egal. Weil sie in Gedanken sowieso nicht bei der öden Unterhaltung war.
Jordan hätte es keine Minute länger in dem Zimmer ausgehalten, als Helmut endlich bereit war, sich zu verabschieden. Seine diversen Geschäftsinteressen
waren ihr vollkommen egal. Hingegen hatte sie Reeves nachmittags auf der Fähre seltsamerweise regelrecht dazu gedrängt, dass er über seine Arbeit sprach. Sie hatte an seinen Erfahrungen Anteil haben wollen und jedes Wort begierig aufgesogen, das über seine Lippen gekommen war.
Jetzt war sie gelangweilt, müde, reizbar und todunglücklich, sobald sie daran dachte, wie wütend Reeves davongestapft war, ohne sich auch nur noch einmal nach ihr umzudrehen.
Sie hätte nicht sagen können, ob sie eher enttäuscht oder zornig war. Die Zeit oben auf dem Berg und die Schifffahrt waren wunderbar gewesen. Zugegeben, sie hatte bedauert, dass dieser besondere Tag schon nachmittags vorbei gewesen war. Sie konnte nicht leugnen, dass Reeves Grant sie reizte, dass er sie aus der Reserve lockte und dadurch verletzlicher machte als jemals ein Mann zuvor.
Aber genau deshalb war er so gefährlich. Denn er übernahm schon jetzt die Herrschaft über sie. Hatte er etwa nicht von ihr erwartet, die Verabredung mit Helmut abzusagen? Hätte sie Helmut nicht auf seinen Wunsch hin sagen sollen, dass sie nicht mit ihm zu diesem Essen gehen würde, obwohl diese Einladung von ihm bereits in ihrem Namen angenommen worden war?
Sie war wütend, hatte aber keine Ahnung, gegen wen die Wut gerichtet war. Gegen Helmut, weil er, ohne sie zu fragen, einfach davon ausgegangen war, dass sie heute Abend zur Verfügung stand? Gegen
Reeves, weil er einfach annahm, er hätte das Recht, darüber zu bestimmen, was sie tat? Oder vielleicht gegen sich selbst, weil sie sich zum Spielball zweier selbstbewusster, starrsinniger Männer machen lieàâ obwohl sie sich geschworen hatte, dass sie das nie wieder täte? Und zwar nicht mal, wenn sie jemals ihre groÃe Liebe traf?
Im Fahrstuhl erörterte Helmut das Für und Wider einer möglichen Fusion, und sie hatte die Befürchtung, dass sie anfinge zu schreien, hielte er nicht endlich seinen Mund. Was gingen sie seine Geschäfte an? Sie bedeuteten ihr nichts. Bis vor ein paar Tagen hatte sie noch ruhig und friedlich vor sich
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