Gefahrliches Vermachtnis
Hap war, der ihm in Casablanca das Leben gerettet hatte.“
„Ich kann das gar nicht alles auf einmal begreifen. Wie konnten so viele Dinge so lange geheim gehalten werden?“
„Ich glaube, da ist noch mehr.“ Ben steckte seine Brille in die Tasche. Regentropfen rannen ihm über das Kinn. „Und ich glaube, es ist höchste Zeit, hineinzugehen und es herauszufinden.“
Dawn wollte noch nicht hineingehen. „Danke, dass du mir alles erzählt hast.“
„Ich kann mich nicht erinnern, dass ich etwas gesagt hätte, wofür du mir dankbar sein könntest.“
Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
„Aber ich habe nichts dagegen, wenn du mir dankbar bist“, sagte er lächelnd.
„Provoziere dein Glück nicht zu sehr.“
„Komm schon!“ Er berührte kurz ihre Hand. Seine Haut fühlte sich warm und fest an. Dann wandte er sich ab und lenkte seine Schritte in Richtung Cottage.
Die anderen hatten sich bereits im Morgenzimmer versammelt. Cappy, die ihren Nagellack ausbesserte, schaute kurz hoch, als sie hereinkamen. Sie musterte Dawn und Ben nachdenklich.
Dawn setzte sich neben Pelichere, Ben lehnte an der Wand. Nicky und ihre Familie saßen so nah an der Tür wie möglich, als ob sie vorhatten, bei der erstbesten Gelegenheit zu verschwinden. Dawn konnte es ihnen nicht verübeln. Sie war froh zu sehen, dass Nicky einigermaßen gefasst wirkte.
Spencer verzichtete auf eine Einführung. Er stand vorne und überreichte Pelichere ein kleines Päckchen. „Aurore sagte, dass Sie dies hier immer bewundert haben. Jetzt gehört es Ihnen.“
„Ich weiß, was es ist.“ Pelichere schüttelte das Päckchen, bis ein feines Klingeln zu hören war. Sie lächelte nicht. „Und ich weiß, weshalb sie es mir gegeben hat.“
Weil sie keine Anstalten machte fortzufahren, stupste Dawn sie an. „Was ist da drin?“
„Ein Glöckchen. Ein silbernes Glöckchen.“
„Das Glöckchen, das auf ihrem Nachttisch stand?“
„ Mais oui. Genau das.“
„Aber warum?“ Dawn glaubte für alle zu sprechen. „Weil sie damit gebimmelt hat, wenn sie etwas von dir wollte?“
„Nein. An diese Glocke hat sie nicht gedacht, sondern an eine andere.“
„Welche?“
„An die Glocke der Kirche von Grand Isle. Sie läutete während des Hurrikans auf Chénière Caminada, als so viele Leute ums Leben kamen.“ Sie sah Nicky an. „Es war der Sturm, der deine Großmutter und die Schwester deines Vaters getötet hat.“
„Dann weißt du davon?“, fragte Dawn.
„ Mais oui, ich weiß alles darüber. Und deine Grandmère will, dass ich nun erzähle, was ich weiß.“ Pelichere öffnete das Päckchen und läutete leise mit dem Glöckchen. Obwohl Aurore im Grab lag, klang es immer noch wie eine Aufforderung. Pelichere sah zu Ferris. Er war aufgestanden, als ob er gehen wollte. „Sie sollten sich anhören, was ich zu sagen habe. Vor allem Sie!“
Ferris blieb stehen, setzte sich aber nicht mehr hin.
„Das ist eine lange Geschichte“, begann Pelichere. „Aber das meiste davon ist ja inzwischen schon bekannt.“
Sie wandte sich an Dawn. „Ich hatte nichts damit zu tun bis zum Krieg, als ich nach New Orleans kam. Du warst ein komisches kleines Baby und wolltest immer gehalten werden. Meine Mutter starb, als du erst vier Monate alt warst, und deine Grandmère bat mich, zu ihr zu kommen und mich um dich zu kümmern. Ich glaube, sie wollte mich in ihrer Nähe haben, weil ich sie an meine Mutter erinnerte. Sie vermisste ihre Freundin sehr. Mein Mann war in der Armee, und es gab keinen Grund für mich, auf Lafourche zu bleiben. Also kam ich. Und ich blieb auch nach dem Krieg noch, obwohl mein Mann aus dem Krieg zurückkam. Ambrose war nie ein großer Jäger oder Fischer gewesen. Er bastelte lieber an Maschinen herum und auf Ölbohrplattformen gab es gute Jobs für Mechaniker. Wir hatten damals noch keine eigenen Kinder, also hatte er nichts dagegen, dass ich in New Orleans blieb, während er arbeitete.“
„Pelichere“, mischte sich Ferris ein. „Was soll das alles? Kommen Sie zum Punkt!“
„Ich habe Sachen gesehen und gehört und deine Großmutter hat mir welche erzählt. Schreckliche Sachen über die Nacht, in der dein Vater starb.“
Dawn beobachtete, wie Ferris Pelis Worte abwog. Er war hin und her gerissen und das war ungewöhnlich. Dann setzte er sich plötzlich wieder. Dawn hörte das Ticken der Uhr auf dem Tisch nebenan und das Heulen des Windes vor den Fenstern. Doch im Raum war es still, während Pelichere ihre
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