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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Kuchen und Mitgefühl verteilte und versprach, dass er alles in seiner Macht Stehende tun würde, um zu helfen.
    Auf dem Rückweg in die Stadt wusste sie, dass sie nun die Welt gesehen hatte, von der er sagte, dass sie sich ändern müsse. Doch sie hatte Angst. „Vielleicht weiß niemand, wie schlecht es diesen Menschen geht. Vielleicht würde man ihnen helfen,wenn man es wüsste.“
    „Sie wissen es“, entgegnete Hugh. „Aber die meisten wollen es nicht wissen, und wenn du versuchst, es ihnen zu sagen, hören sie nicht zu.“
    „Und wenn du es ihnen sagst?“
    „Das hat schon mal ein besserer Mensch als ich versucht.
    Sie haben ihn ans Kreuz genagelt.“ Er betrachtete sie lächelnd. „Mach dir keine Sorgen, Sonnenschein! Du hast heute genug getan. Das reicht erst einmal.“
    Es reichte aber nicht für lange. Er nahm sie noch viele Male danach mit in seine Gemeinde. Nach einer Weile schienen ihr die Menschen nicht mehr nur arm. Sie lernte ihre Namen und ihre Stärken kennen und fand heraus, dass die Mädchen in ihrem Alter dieselben Träume und Hoffnungen hegten wie sie und dass sie wesentlich mehr über das Leben wussten als Dawn. Während Dawn und ihre Klassenkameradinnen von der katholischen Mädchenschule immer noch herauszufinden versuchten, wie Babys genau gemacht wurden, bekamen die Mädchen in der Gemeinde ihres Onkels eigene Babys und kämpften darum, sie irgendwie zu ernähren.
    Nach ein paar Wochen endeten die Ausflüge mit ihrem Onkel abrupt.
    An einem sonnigen Mainachmittag besuchten Hugh und sie eine Familie, die Dawn besonders gerne mochte. Bei Lester und Beulah Narrows und ihren acht Kindern war es immer sehr unterhaltsam. Die Familie hatte das Glück, ein paar Quadratmeter Land zu besitzen, das schon Lesters Vater gehört hatte. Beulah und die jüngeren Kinder hielten Hühner und kümmerten sich um einen Gemüsegarten, der die Familie ernährte. Lester und die älteren Söhne verdienten ihren Lebensunterhalt damit, das Gras am Ufer des Mississippi zu mähen.
    Es kamen ein paar Nachbarn vorbei, und Beulah tischte das beste Hühnchen auf, das Dawn je gegessen hatte. Das Essen hatte Symbolcharakter. Dawn hatte nicht nur geholfen, das Gemüse zu ernten – sie empfand sich inzwischen auch als Teildieser Gemeinschaft. Diese Menschen kannten sie jetzt. Niemand brach mehr seine Unterhaltungen plötzlich ab, wenn Dawn ins Zimmer kam. Im Gegenteil: Sie sprachen ganz offen über ihre Sorgen.
    Dawn hatte sich ebenfalls verändert. Sie half, wo sie konnte. Sie glaubte nicht mehr, dass diese Menschen anders waren als sie, sondern betrachtete sie als intelligente und mutige Individuen, die nicht gerecht behandelt wurden. Dawn interessierte sich immer mehr für ihre Geschichten, und sie fühlte sich von ihrer Armut nicht mehr abgestoßen, sondern war wütend darüber.
    Auf dem Rückweg nach New Orleans betrachtete sie den Himmel und versuchte in Worte zu fassen, was sie empfand, bis sie plötzlich Hughs Hand an ihrer Schulter spürte. Überrascht stellte sie fest, dass er die Fahrt verlangsamte und schließlich anhielt. „Wir haben Gesellschaft“, sagte er. „Du bleibst im Wagen.“
    Dawn entdeckte zwei Pick-ups, die links und rechts der Straße parkten. Drei große weiße Männer versperrten ihnen den Weg. Der mittlere von ihnen hielt ein Gewehr.
    „Jäger?“ Sie hoffte, dass es so war.
    „Könnte man auch sagen.“ Hugh lächelte ihr aufmunternd zu. Er wirkte kein bisschen verängstigt.
    „Vielleicht solltest du auch lieber im Wagen bleiben.“ Hugh öffnete die Tür. „Mach dir keine Sorgen. Ich kenne diese Männer.“
    „Sie lassen uns vielleicht weiterfahren, wenn sie wissen, wer du bist.“
    „Sie wissen, wer ich bin.“ Dann schlug er die Tür zu. Dawn beobachtete, wie er auf die Männer zuging. Er beeilte sich zwar nicht besonders, aber er zögerte auch nicht. Und er blieb nur wenige Meter vor ihnen stehen.
    Ihr Fenster stand offen und die Männer waren nicht sehr weit entfernt. Sie konnte jedes Wort hören, das sie sagten.
    „Haben die Herren auf mich gewartet?“, fragte ihr Onkel.
    Ihr Sprecher, der Mann mit dem Gewehr, trat vor. „Waren Sie schon wieder mit diesem schwarzen Abschaum zusammen, Pater?“
    „Ich habe die Gastfreundschaft von Mr und Mrs Narrows und deren Nachbarn genossen, falls Sie das meinen.“
    „Welche Sorte Mann nimmt ein junges weißes Mädchen an einen solchen Ort mit?“ Einer der Männer spuckte auf den Boden. Dawn vermutete, dass die Spucke den Schuh ihres

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