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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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er sich von ihr verabschiedete, hatte er sie auf die Wange geküsst, und sie war mit dem Gefühl zu Bett gegangen, an einem ungeliebten Ort einen Menschen gefunden zu haben, mit dem sie genauso sprechen konnte wie mit Aurore.
    Danach hatten sie häufiger etwas miteinander unternommen. Sie besuchten andere feine Lokale, oder sie kauften sich belegte Baguettes und aßen sie auf einer Bank am Jackson Square, während sie Porträtmalern bei der Arbeit oder Kindern bei der Taubenjagd zusahen. Manchmal gingen sie auch in den Pontchartrain Park. Oder sie verbrachten den Tag in der San Francisco Plantage auf der anderen Seite des Flusses.
    Wenn sie in Hugh einmal den Priester gesehen hatte, so betrachtete sie ihn schnell als eine andere Kategorie von Vater. Die Art Vater, die Ferris aus Zeitmangel nie sein konnte.
    Doch sie verbrachten nicht nur lustige Zeiten zusammen. Hugh war der Hirte einer anstrengenden Herde in Bonne Chance. Die Gemeinde am östlichen Ufer des Mississippi wararm. Die Bauern, Fischer und Jäger musste mit ansehen, wie die Ölgesellschaften alle Ressourcen der Gemeinde aufzehrten, ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Obwohl die Stadt aus Menschen unterschiedlicher Rassen und Herkunft bestand, wurde die Kirche Unsere Liebe Frau vom Guten Rat überwiegend von Weißen besucht. Die wenigen Besucher mit dunkler Hautfarbe saßen in den hinteren Reihen. Dabei war das einmal anders gewesen, aber das Öl hatte alles verändert. Die Konkurrenz um Arbeitsplätze und der Rassismus der Ölarbeiter aus anderen Bundesstaaten hatten den Tagen, als sich die Nachbarn noch mehr um die Gemeinschaft als um die Hautfarbe kümmerten, ein jähes Ende bereitet.
    Die rigorose Rassentrennung in Bonne Chance hielt Hugh aber dennoch nicht davon ab, sich um Lebensbedingungen und Arbeitsplätze für den schwarzen Teil der Bevölkerung zu kümmern. So gelangte er schnell in den Ruf eines Mannes, der sich für faire Bedingungen für alle einsetzte – ungeachtet der Hautfarbe. Obwohl Hugh anfänglich bei der schwarzen Gemeinde in Verdacht stand, ein scheinheiliger Gutmensch oder gar Spion der örtlichen Verwaltung zu sein, gewann er ihr Vertrauen schließlich doch.
    An einem Samstag vor Thanksgiving zeigte Hugh Dawn ein Leben, von dem sie nicht mal wusste, dass es existiert. Er holte sie ziemlich früh am Morgen ab. Doch statt des Picknicks, das sie erwartet hatte, bog er auf den Highway ein, der zu ihm nach Hause führte. Der Weg dorthin führte an trostlosen Sümpfen und windschiefen Hütten vorbei, wo man gekochte Krabben und kaltes Bier kaufen konnte.
    „Nicht jeder lebt so wie du, Sonnenschein“, sagte er. Nur er nannte sie so. „Wenn du die Welt verbessern willst, musst du viel mehr über sie wissen.“
    Weil es das erste Mal war, dass jemand andeutete, dass sie in der Lage sein könnte, eines Tages etwas zu verändern, blickte sie auf ihre Schuhspitzen und fragte sich, was genau er ihr damit sagen wollte.
    „Manche Menschen sind so arm, sie haben nicht einmal ein Bett“, erklärte er. „Kannst du dir vorstellen, wie das ist?“
    „Liegt es nicht daran, dass sie nicht arbeiten wollen?“
    Sie hörte ihm aufmerksam zu, als er die Theorie auseinandernahm, die sie bei den Eltern ihrer Freunde und ihrem Vater gehört hatte. „Wie kommt es, dass mein Vater und du nicht an dieselben Dinge glaubt?“, fragte sie.
    „Hast du mal mit deiner Großmutter darüber gesprochen, woran sie glaubt?“
    „Die ganze Zeit.“
    „Und was sagt sie?“
    „Dass Gott, als er die Welt erschuf, jeden Menschen gleich geschaffen hat und dass der Satan seitdem versucht, uns vom Gegenteil zu überzeugen.“
    „Schöne Worte. Aber Worte werden in den kommenden Jahren nicht ausreichen. Nicht einmal annähernd.“
    Schließlich verstand sie, was er meinte. In Bonne Chance war nichts so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Hier gab es kein Glück, zumindest kein sichtbares. Die Stadt zog sich am Fluss entlang. Ringsherum nur unbewohnbares Schwemmland.
    Beim Ausliefern von Essen begegnete Dawn einer Armut, die sie noch nie gesehen hatte. In New Orleans gab es zwar auch Armut, aber hier gab es nichts anderes. Sie sah Häuser ohne Wasser, Heizung oder Kühlung, Lebensmittel voller Fliegenschwärme, rotznasige Kinder und Großeltern, die sich mit leeren Blicken an eine Vergangenheit erinnerten, von der man besser nicht mehr sprach. Manche hofften noch immer auf Besserung, gute Schulen, eine ordentliche Arbeit und das Wahlrecht. Dawn hörte gut zu, als Hugh

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