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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Betrug. Das ging sogar so tief, dass ich einen Ozean überqueren musste, um Ruhe zu finden.“
    „Und hast du sie gefunden?“
    Die Antwort stand mitten im Raum. Es gab keinen Ozean, der dafür groß genug gewesen wäre, und das würde sich niemals ändern. „Ich wünschte, du wärst nicht hierhergekommen. Du hättest nicht kommen müssen.“
    „Was hättest du dir denn stattdessen gewünscht? Wie weit zurück würdest du denn gehen wollen, um mich aus deinem Leben zu streichen? Zum Anfang? Bis zu dem Tag, als uns Pater Hugh einander vorstellte?“
    Der Tag stand ihr so klar vor Augen, als ob es gestern gewesen wäre. Vielleicht sogar noch klarer. Denn inzwischen wusste sie, was aus einem Anfang werden konnte, der nur aus Versprechungen bestand.
    „Ich kann dich nicht aus meinem Leben streichen, weil ich Onkel Hugh dann auch verlieren würde.“
    „Er hat dich vergöttert.“
    „Und ich habe ihn vergöttert.“ Sie wandte den Blick ab.
    „Aber das hast du mir nie geglaubt oder täusche ich mich?“
    „Vielleicht wird es Zeit, dass du mich vom Gegenteil überzeugst.“
    „Vielleicht habe ich keine Lust, meine Zeit zu vergeuden.“
    Er strich ihr über die Wange. „Erzähl mir, was in der Nacht, als Pater Hugh starb, geschehen ist, und ich glaube dir.“
    Dawn konnte das Meer rauschen hören. Es war dasselbe Meer, in dem ihr Onkel geduldig versucht hatte, ihr dasSchwimmen beizubringen. Die schwüle Luft unterschied sich nicht von der Luft der Sommertage, die sie bei ihrem Onkel in Bonne Chance verbracht hatte, um ein ganz anderes, unbekanntes Louisiana kennenzulernen. Und das Gefühl der Scham war seit der Nacht seines Todes dasselbe geblieben.

24. KAPITEL
    D awn erinnerte sich nur noch wenig an ihre Kindheit. Aber sie erinnerte sich an eine tief sitzende Angst. Als Teenager war diese Angst zwar immer noch spürbar vorhanden gewesen, aber sie litt wenigstens nicht mehr unter Albträumen und Horrorvisionen.
    Die Beziehung zu ihrer Großmutter und ihrem Onkel war sehr viel enger als die Bindung zu ihren Eltern. Ihr Onkel Hugh war ein schlanker, distinguierter Mann. Er besaß einen festen Blick und anmutige Händen, die, wenn er die Messe zelebrierte, leicht als Hände Gottes durchgegangen wären. Er lachte nur selten, aber wenn er einmal lachte, dann war es ansteckend. Hughs Lachen konnte einen davon überzeugen, dass die Welt tatsächlich der schöne Ort war, von dem er in seiner sonntäglichen Messe sprach.
    Er war erst relativ spät in Dawns Leben aufgetaucht. Bis dahin hatte sie immer ihren Vater bewundert, der nur selten Zeit für sie hatte. Im Gegensatz zu Cappy hatte Ferris ihre Liebe gepflegt, aber da er ständig damit beschäftigt war, sich in die Politik einzumischen, konnte er ihr nie die volle Aufmerksamkeit widmen. Wenn sie mit ihm zusammen waren, behielt er auch immer noch alles, was ringsum vor sich ging, im Auge.
    Dawn hatte immer gewusst, dass sie einen Onkel hatte, der im Plaquemines Parish als Priester arbeitete. Trotzdem hatte sie ihn erst kennengelernt, als sie schon größer war. Obwohl nie jemand mit ihr darüber gesprochen hatte, bekam Dawn schon als Kind mit, dass ihre Großmutter und ihr Onkel sich in der Gegenwart des anderen nicht besonders wohlfühlten. Wenn sie einmal zusammen waren, beobachtete Grandmère Hugh die ganze Zeit; sie schien ihn insgeheim um Verständnis zu bitten. Er hingegen sprach nur selten mit ihr.
    Ihr Vater und ihr Onkel waren Brüder, aber so etwas wie Zuneigung gab es nicht zwischen ihnen. Sie sprachen nur dannmiteinander, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Dawns Mutter gegenüber verhielt sich Hugh immer sehr warmherzig. Doch zwischen den beiden Männern stand offenbar ein Geheimnis – etwas sehr viel Komplexeres als nur ihre unterschiedlichen Charaktere.
    Hugh begann, regelmäßig in ihrem Elternhaus aufzutauchen, nachdem Dawn wieder zu ihnen gezogen war. Sie war damals vierzehn und trug eine Pudelfrisur. Cappy hatte darauf bestanden, dass Dawn wieder zu Hause lebte. Aber Dawn war nicht glücklich darüber und ihr Onkel schien das zu spüren.
    Als er sie zum ersten Mal besuchen kam, sollte sie ihr schönstes Kleid anziehen, weil er sie in ein Restaurant im French Quarter einlud.
    In jener Nacht sprach Hugh mit ihr wie mit einer Erwachsenen. Sie diskutierten über Bücher und Musik, die sie gerne mochte. Er wirkte weder wie ein Priester noch wie ein Onkel, sondern einfach nur wie ein Freund, der ihre Meinung und ihre Gesellschaft zu schätzen wusste. Als

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