Gefahrliches Vermachtnis
einziges Mal. Dafür schulde ich ihnen noch etwas.“
Er ließ sich auf der Treppe nieder und lehnte sich gegen die Brüstung. Dawn setzte sich ihm gegenüber. Ihre Fußspitzen berührten sich beinahe. Die Brise, die von der Flussmündung zu ihnen heraufwehte, streichelte sanft über ihre Haut. In der Luft lag der ihr vertraute Duft South Louisianas.
„Das College hat mich verändert“, erzählte Ben weiter. „Ich habe in Oberlin eine neue Sichtweise und neue Freunde gewonnen. Dann schrieb meine Mom mir von diesem katholischen Priester, der in Bonne Chance Schwierigkeiten macht, und ich dachte mir, ich komme und sehe mal, ob ich ihm ein bisschen helfen kann.“
„Wie gefällt ihr, was du tust?“
„Sie starb letzten Sommer. Sie ging zu ihrem weißen Jesus in den Himmel, ohne richtig zu wissen, wem sie auf der Erde das Leben geschenkt hat.“ Er zuckte die Achseln. „Vielleicht war es besser so.“
„Wenn es dein Kampf ist, ist es auch meiner.“
„Du hast eine Menge zu verlieren. Du bist noch so jung! Du bist von der Unterstützung deiner Eltern abhängig. Du solltest jetzt nicht solche Entscheidungen treffen.“
Aber sein Ratschlag kam bereits zu spät. In ihrem Kopf begann sich eine Idee zu entwickeln, die gar nicht so unmöglich schien. „Wenn wir nur herausgefordert würden, wenn wir dafür bereit wären, gäbe es wohl keine Herausforderungen.“
„Wie alt, sagtest du, bist du?“ Er rutschte etwas tiefer, bis sich ihre Schuhspitzen berührten.
Sie hatte die Phase, in der sie eine männliche Berührung grundsätzlich aufregend fand, schon hinter sich. Aber als sie Ben gegenübersaß, kribbelten neue Empfindungen über ihren ganzen Körper. Sie konnte kaum glauben, dass Ben sich für das, was sie dachte, interessierte und dass er sie trotz ihres Alters- und Erfahrungsunterschieds behandelte wie eine Gleichaltrige. Das war verführerischer als seine breiten Schultern oder die lässige Art, wie seine Jeans auf den schmalen Hüften saß.
Sie lächelte, aber sie entschied sich, seine Frage ernst zu nehmen. „Ich sollte schon längst auf der Uni sein, aber ich bin ein Jahr später zur Schule gekommen. Mit fünf war ich so schüchtern, dass meine Großmutter Angst hatte, ich würde den ganzen Tag nur weinend in der Ecke sitzen.“
„Du wirkst jetzt gar nicht mehr so schüchtern.“
„Oh. Ich fürchte mich vor allem, aber wenn ich mich von der Angst lähmen lassen würde …“
In seinen Augenwinkeln zeigten sich Lachfalten. Sie verstummte. „Ich wünschte, ich wäre noch hier, wenn du erwachsen bist“, sagte er.
In seinem Blick stand echtes Bedauern, und offenbar verfügte er über genügend Selbstbeherrschung, damit es nichtüberhandnahm. Sie hätte gerne etwas erwidert, das seine Meinung geändert hätte, etwas Erwachsenes und Kluges und vielleicht sogar etwas Provokatives. Aber ihr Mut schmolz unter seinem Blick dahin.
Sie sah auf ihre Uhr. „Ich glaube, ich gehe jetzt besser.“
Er richtete sich auf. „Es tut mir leid, dass dein Onkel nicht hier war.“
„Schon gut. Ich weiß, was ich zu tun habe.“
„Sei vorsichtig.“ Reuevoll deutete er auf seine eigene Wange.
„Wir leben in einer gefährlichen Zeit. Was auch immer du tust, denk lieber zuerst an die Konsequenzen, und versuch, dich selbst zu schützen.“
Sie antwortete nicht. Er stand nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Sie konnte seine Körperwärme spüren. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf seine geschundene Wange. „Ich werde vorsichtig sein.“
Er lächelte nicht. „Nicht vorsichtig genug.“ Sie wandte sich ab, aber er berührte sie an der Schulter, sodass sie sich zu ihm umdrehte. „Ich bin nicht mal sicher, ob du weißt, wann du in Gefahr bist.“
„Warum? Bist du etwa gefährlich? Was erwartest du jetzt von mir? Soll ich mir die Konsequenzen vorstellen, oder soll ich versuchen, mich selbst zu schützen?“
„Ich glaube, es ist schon zu spät.“ Er zog sie näher an sich heran. Er berührte ihren Hals und strich ihr Haar zurück. „Ich werde dir erklären, was gefährlich ist. Du bist alt genug, um zu wissen, dass Männer dich attraktiv finden, und jung genug, noch nicht zu wissen, was das bedeuten kann.“
„Erspar mir bitte die Blüten und Bienen! Damit sind uns die Nonnen jahrelang gekommen.“
Er lächelte. „Du hast ein freches Mundwerk.“
Wagemutig presste sie sich an ihn. Ihr Herz raste. „Willst du nicht wissen, wie frech?“
Sein Lachen klang tief und sehr
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