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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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ich dazu zu sagen habe.“
    „Sie bietet den Menschen die Möglichkeit, sich alles von der Seele zu reden. So wie unsere kleine Unterhaltung.“ Er lächelte warmherzig. „Du musst nicht einer Meinung mit mir sein, aber du verstehst mich doch, Schätzchen?“
    Sie verstand ihn. Und hatte das Gefühl, ihren Onkel und alles, wofür er sich einsetzte, hintergangen zu haben, weil sie ihren Vater verstand.
    Am 14. November wurden insgesamt vier schwarze Kinder in zwei weißen Schulen im neunten Bezirk zugelassen. Daraufhin nahmen fast alle weißen Eltern ihre Kinder von der Schule. Bei der Bürgerversammlung am 15. November, bei der Cappy wie versprochen nicht anwesend war, peitschten die Redner mehr als fünftausend Leute in einen Rausch.
    Dawn hörte einige der Reden; sie wurden vom Radio übertragen. Sie war entsetzt, dass ihr eigener Vater an der Veranstaltung teilgenommen hatte. Sie war sicher, dass Ferris’ Beitrag vergleichsweise moderat gewesen war. Aber allein, dass er bei diesem Anlass gesprochen hatte, verursachte ihr Magenschmerzen.
    Am nächsten Tag marschierte ein Mob von Weißen zur Schulbehörde, griff auf dem Weg dorthin mehrere schwarze Bürger an und verletzte mehr als ein Dutzend. Am 17. November gab es noch mehr Krawalle. Dawn sah die Fernsehnachrichten mit Entsetzen. Während der größte Teil der Menschen in der Stadt sich nicht an den gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligte, sah sie die hassverzerrten Gesichter derjenigen, die unschuldigeKinder auf dem Schulweg mit obszönen Hasstiraden überschütteten. Sie erhaschte einen Blick auf ihren Onkel, der dem Rassismus mit Vernunft begegnen wollte, und ihren Vater, der mit geschliffener Rhetorik auch noch Öl ins Feuer goss.
    Danach fuhr sie ohne Erlaubnis mit dem Wagen ihrer Mutter nach Bonne Chance. Das kleine Pfarrhaus mit seinem verwitterten Holzdach war umsäumt von Büschen und Satsumabäumen. Mit seinem durchhängenden Vordach wirkte es, als hätte die Gemeinde kein Interesse am Wohlergehen ihres Priesters.
    Dawn war nicht klar, was sie sich von ihrem Ausflug versprach. Sie hatte sich noch nie so ohnmächtig und durcheinander gefühlt. Sie setzte sich auf die Veranda und stützte das Kinn in beide Hände, bis sich die Tür hinter ihr öffnete. Als sie sich umdrehte, stand Ben im Türrahmen. Mit einer zerschrammten und geschwollenen Wange.
    Sie war nicht in der Lage, Fragen zu stellen. Er nickte. „Vorurteile. Auf kreolische Art.“
    „Oh Ben!“ Sie erhob sich und ging mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. „Warst du in einer dieser Schulen?“
    Ihm schien die Energie zum Antworten zu fehlen. Sie berührte seine Wange, bevor sie sich über die Intimität dieser Geste im Klaren war. Mit dem Finger strich sie sanft über die Schramme. „Tut mir leid.“
    „Ich bin einem Mann in die Quere gekommen, der versucht hat, zwei kleine Mädchen zu bespucken.“
    „Das ist schrecklich.“ Sie ließ die Hand sinken, ohne sich von ihm wegzubewegen.
    „Dein Onkel ist bei den Narrows. Sie besprechen, was zu tun ist, wenn es mit der Eingliederung so weit ist.“
    „Er gibt nicht auf, nicht wahr?“
    „Nein. Es liegt ihm sehr am Herzen und er ist mit Leib und Seele dabei.“
    „Sein Parish findet das nicht gut, hab ich recht?“
    Bens Blick ruhte auf ihr. Sie war sich nicht sicher, aber siehatte das Gefühl, dass er nicht wollte, dass sie wegging. „Ich wollte mit ihm sprechen, aber er braucht keine zusätzliche Belastung. Ich sollte lieber wieder fahren, bevor er zurückkommt.“
    „Er wird nicht so schnell zurück sein. Die Narrows und ein paar ihrer Freunde halten eine Versammlung ab, und er bleibt dort, um sie dabei zu unterstützen. Du weißt ja, sie sprechen über eine Kampagne zur Wählerregistrierung, obwohl die Gesetze hierzulande das Ganze sinnlos machen. Sie sind die mutigsten Menschen, die mir jemals begegnet sind. Aber in Bonne Chance wird sich noch lange nichts ändern.“
    „Hast du manchmal Angst? Hattest du heute Angst, als du verletzt wurdest?“
    Er zögerte. „Klar.“
    Plötzlich hatte sie auch Angst. „Warum bist du dann hier? Du hättest nicht zurückkommen müssen.“
    „Weil dies auch meine Stadt ist, verdammt noch mal! Und mein Staat. Meine Mutter hat gearbeitet. Ich wurde von schwarzen Frauen aufgezogen, die so gut wie nichts dafür bezahlt bekamen, dass sie auf mich aufpassten, für mich kochten, und die meine Wunden küssten, wenn ich hingefallen war. Und ich habe nie auch nur darüber nachgedacht. Kein

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