Gefahrliches Vermachtnis
von den Treppenstufen. „Ich dachte, ich bin Annies Freundin. Was hätte ich denn tun sollen, als sie mir erzählte, dass sie einen besseren Job braucht? Ich könnte vermutlich etwas für sie finden und das hat nichts mit Wohltätigkeit zu tun. Ich habe einfach nur ein paar Kontakte und würde sie gerne zu ihren Gunsten nutzen.“
„Du wärst eine bessere Hilfe für sie, wenn du ihr zutrauen würdest, dass sie ihre eigenen Probleme selbst lösen kann. Wenn du versuchst, ihr zu helfen, erhebst du dich über sie.“
Unglücklicherweise verstand Dawn, was er meinte.
Er umarmte sie, drückte sie fester und länger an sich als üblich. „Wie geht es dir, Sonnenschein?“
„Gut. Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen.“
„Ich würde mir doch niemals Beulahs Gumbo entgehen lassen!“
Dawn hatte ihre eigenen Pläne für den Abend. Sie hatte Ben zum Abendessen zu sich nach Hause eingeladen, um ihn ihren Eltern vorzustellen. Am liebsten hätte sie auch ihre Großmutter dabeigehabt, aber Aurore dokterte diesen Sommer bereits an der zweiten Erkältung herum. Dawn hatte lange überlegt, ob sie Ben einladen sollte. Sie fürchtete die Meinung ihres Vaters und war noch nicht bereit, Ben mit anderen zu teilen.
„War heute alles in Ordnung?“, fragte Hugh.
„Oh. Es ging ganz gut. Diese Frauen wissen mehr über die Regierung als die Hälfte der Kongressabgeordneten, aber sobaldsie versuchen, sich ins Wahlregister einzutragen, werden sie vermutlich gebeten, den Treueeid auf Arabisch aufzusagen, und entsprechend abgelehnt.“
„Es wird irgendwann aufhören.“
„Es wird aufhören, wenn die Schwarzen wählen dürfen.“
„Du klingst nicht entmutigt.“
„Für mich ist es leicht. Ich werde nicht bedroht.“
Er wartete. Vermutlich, weil er spürte, dass sie noch mehr zu sagen hatte.
Er hatte recht.
„Onkel Hugh, bist du in Gefahr?“
„Warum fragst du?“
Dawn wusste, dass sowohl ihr Onkel als auch Ben still ihrer Arbeit nachgingen, was immer noch möglich war, weil Plaquemines Parish nicht das Hauptziel der Bürgerrechtsorganisationen war. Zuerst hatte sie sich Sorgen um die beiden gemacht, aber inzwischen war diese Sorge in den Hintergrund ihrer Aktivitäten getreten. Bis zu diesem Nachmittag. „Eine der Frauen hat heute etwas gesagt, das mich sehr beunruhigt.“
„Was hat sie gesagt?“
„Sie sagte, dass einige Leute dich hassen. Und dass sie nicht mehr länger zusehen werden. Ich erinnere mich an diese Männer in den Pick-ups.“
Er antwortete nicht gleich und das beunruhigte sie noch mehr. „Ich gebe schon auf mich acht“, versicherte er ihr. „Ich wäre dumm, wenn nicht. Aber Ben war in letzter Zeit nicht so vorsichtig, wie er sollte. Manchmal fordert er die Leute regelrecht zur Konfrontation heraus.“
„Ich mag Ben“, erwiderte sie. „Ich werde mit ihm reden.“
„Wie sehr magst du ihn?“
In diesem Moment wurde Dawn bewusst, dass alle anderen Männer in ihrem Leben nur Generalproben gewesen waren. Sie hatte immer nach jemandem mit Bens Charakter gesucht, nach seinem Lächeln, seinem Esprit, seinem Bekenntnis zum Wandel. Und sie hatte es sorgfältig vermieden, sich ihr Herzstehlen zu lassen. Bis Ben wieder in ihrem Leben aufgetaucht war.
Sie wandte ihren Blick ab. „Oh. Ich weiß nicht.“
„Soll ich als Priester oder als Onkel zu dir sprechen?“
„Wie wäre es als Freund?“
„Es gibt keinen besseren Kerl als Ben Townsend, aber es gibt auch keinen idealistischeren und anmaßenderen. Pass auf, dass er dir nicht das Herz bricht.“
Dawn hatte das Gefühl, Hugh wisse sehr genau, dass sie und Ben bereits ein Paar waren und dass sie bereits so hoffnungslos verliebt in ihn war, dass seine Warnung zu spät kam. Ihre Wangen färbten sich rot. „Er kommt heute zum Abendessen mit nach Hause.“
Hughs Augen funkelten. „Ich erwarte einen vollständigen Bericht.“
Sie schlang die Arme um ihren Onkel. „Ich hab dich lieb, Onkel Hugh. Und wenn Ben ein nur halb so toller Mann ist wie du, dann habe ich mich richtig entschieden.“
Hugh drückte sie fest an sich. „Ich bin nicht ansatzweise der Mann, für den du mich hältst. Glaub bloß nicht, dass ich ein Heiliger bin, Sonnenschein. Ich bin einfach nur ein Mann, der aus eigenen Beweggründen heraus handelt. Aber ich bin auf jeden Fall froh, dass du mich liebst.“
Ben wünschte, er hätte mit Dawn nach New Orleans fahren können. Dann hätte er es genossen, neben ihr zu sitzen und zu beobachten, wie sie das Lenkrad mit ihren
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