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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Lange, lange Beine, meergrüne Augen und ein Lächeln, das bis in die dunkelsten Winkel dringt.“
    „Das klingt, als hättest du das alles schon einmal gehört.“
    „Das und noch mehr.“
    „Aber du hast es noch nie von mir gehört.“
    Sie zögerte einen Augenblick und war sich – obwohl sie dagegen ankämpfte – bewusst, dass er eine Saite in ihr zum Klingen brachte, die noch nie angeschlagen wurde. „Warum sollte das von Bedeutung sein?“
    Er griff nach ihrer Hand. Seine war groß, seine Finger waren kurz und kräftig. Die Hand eines Farmers, nur ohne Schwielen. Er umschloss ihre und hielt sie fest. „Weil ich dir etwas bedeuten werde“, sagte er. „Und zwar ab sofort.“
    Sie hatte schreckliche Angst davor, dass er recht haben könnte.
    Nicky verbrachte den August mit Gerard in einem Apartment im dritten Stock eines winzigen Hauses in der Rue Campagne-Première. Das Apartment war genauso winzig wie der Rest. In den beiden Zimmern war nur Platz für Bett, Tisch, einen Sessel und zwei Stühle. Aus den Bogenfenstern blickte man über die Dächer von Paris. Toilette und Bad befanden sich auf dem Gang.
    Das Haus lag in der Nähe des wundervollen Jardin du Luxembourg, wo sie manchmal unter den Kastanienbäumen saßenund Kindern beim Spielen zusahen.
    Sie schlenderten durch die engen, windigen Gassen des Montparnasse. Sie kauften knackige Baguettes, köstlichen Käse und herbe rote Trauben. Paris schlief und die Bewohner träumten sich weit weg an kühlere Orte. Doch Nicky träumte nur von Gerard, in dessen Armen sie jeden Morgen erwachte.
    Eigentlich war es in dem winzigen fensterlosen Zimmer viel zu heiß, aber es konnte ihr gar nicht heiß genug sein.
    Gerard stand für viele unbekannte Dinge. Wenn er in sie eindrang, verstand sie plötzlich die Bedeutung der Liebeslieder, die sie zwar seit Jahren kannte, aber nie wirklich geglaubt hatte.
    Gerard war ein schwieriger, häufig launischer Mensch. Doch im Schlaf hatte er ein freundliches Gesicht. Dann erkannte sie, wie er gewesen wäre, wenn er weder Rassismus noch Zurückweisung erfahren hätte. Sobald er wach war, sah sie ihm an, wie sehr ihn der Gedanke daran quälte. Er war ein starker, sinnlicher Mann, der ihr zärtlich und leidenschaftlich die Unschuld raubte.
    Doch manchmal trank er zu viel oder brütete tagelang vor sich hin und geriet häufig unkontrolliert in Rage. In seinen besten Momenten verstand er es jedoch geschickt, ihre manchmal aufkeimenden Zweifel zu zerstreuen. Wenn sie mit ihm zusammen war, glaubte sie an eine gemeinsame Zukunft. Sie war überzeugt davon, dass sie die Welt fernhalten und in diesem fremden Land leben konnten. Obwohl Gerard ihr niemals etwas versprochen oder sich eine gemeinsame Zukunft mit ihr ausgemalt hatte, glaubte sie dennoch fest daran.
    Als sie Clarence erklärt hatte, dass sie den Sommer bei Gerard verbringen würde, hatte Clarence ihre Entscheidung zwar akzeptiert, er war aber nicht glücklich darüber gewesen. Dann hatte er das Angebot eines Nachtklubs in Nizza angenommen, wo er bis Herbst spielen sollte. Am Tag, als er zu ihr kam, um sich zu verabschieden, drückte er ihr seinen Wohnungsschlüssel in die Hand. Er hatte kein Wort darüber verloren, aber sie hatte trotzdem verstanden. Es gab einen Ort, wohin sie imNotfall gehen konnte. So verliebt wie sie war, glaubte sie aber, dass sie ihn nicht brauchen würde. Sie küsste Clarence auf die Wange und ließ ihn wissen, dass sie ihn sehr vermissen würde. Den Schlüssel versteckte sie unter ihren Kleidern.
    Gerard schrieb von morgens bis abends. Manchmal benötigte er das Apartment für sich alleine. Dann setzte sie sich in eines der Cafés und schrieb Briefe. Manchmal wollte er auch, dass sie bei ihm blieb, um sich von ihrer Lebendigkeit beflügeln zu lassen. Er hatte ihr erzählt, dass er an einem epischen Gedicht über Sklaverei und das neue Gesicht des Rassismus arbeitete. Aber nie las er ihr auch nur einen Satz daraus vor.
    Gerard bewunderte die Bolschewiken und er erzählte ihr Geschichten von seiner Reise nach Russland. Er begeisterte sich für die sozialen Experimente, die er dort gesehen hatte, und für Stalins Vision. Gleichzeitig beklagte er sich darüber, dass diese Begeisterung seine Karriere blockierte. Er war nicht nur schwarz, sondern sympathisierte mit den Kommunisten. In seinem Heimatland war das eine so schlimm wie das andere.
    Gerard war sich sicher, dass seine Werke, wenn er weiß gewesen wäre, auf mehr Verständnis und Interesse gestoßen

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