Gefahrliches Vermachtnis
Américains geschenkt hatte, und jetzt Gerards Armband.
Sie fragte sich, weshalb sie Gerard nie etwas über dieses Medaillon erzählt hatte. Weshalb hatte sie ihm nie die Wahrheit über sich gesagt? „Das Medaillon ist ein Geschenk einer Freundin meiner Mutter. Ich habe meine Mutter nie kennengelernt.Tatsächlich weiß ich nichts über sie.“
„Nichts? Hat dir Clarence nie etwas erzählt?“
„Clarence weiß noch weniger als ich.“ Sie sah ihm in die Augen. „Gerard, Clarence ist nicht mein Großvater. Er ist nicht mit mir verwandt, er ist nur ein Freund. Er brachte mich nach Paris, weil er um mein Leben fürchtete. Er hat mir seinen Namen gegeben, für den Fall, dass man nach mir suchen würde. Er hat alle davon überzeugt, dass ich seine Enkelin bin.“
„Nach dir suchen?“
„Mein Vater wurde in Chicago ermordet. Wer immer ihn getötet hat, würde auch mich töten, wenn er die Chance hätte. Ich hatte keine Familie – zumindest nicht, soweit mir bekannt ist. Also hat Clarence entschieden, dass es am sichersten für mich sei, mich aus Chicago wegzubringen. Man hatte ihm einen Job in der Band eines Freundes angeboten und so konnte er mich eine Weile im Haus seines Freundes verstecken. Als er glaubte, dass es ruhiger geworden war, beantragte er Pässe für uns. Er gab mich bei den Behörden als seine Enkelin aus und erklärte ihnen, ich hätte keine Geburtsurkunde, weil ich irgendwo auf dem Land zur Welt gekommen sei und meine Eltern inzwischen tot seien. Es war ihnen egal. Sie waren froh, uns loszuwerden. Zwei Farbige!“
„Weshalb sollte jemand dich töten wollen?“
„Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, ob es stimmt. Es passierte bei Rassenunruhen und da waren viele weiße Männer. Sie riefen den Namen meines Vaters und erschossen ihn. Ich stand daneben. Sie haben auch auf mich geschossen, aber mein Vater hat mich beschützt. Ich weiß nicht, ob ich nur ein zufälliges Ziel war oder ob dieselben Menschen, die ihn getötet hatten, auch mich umbringen wollten. Aber Clarence war überzeugt, dass ich nicht mehr länger sicher bin.“
Ihre Hand wanderte an ihren Hals. Das Medaillon war unter ihrem Kleid. „Ich habe nicht viel Vergangenheit. Keine Wurzeln. Keine Familie. Deshalb trage ich dieses Medaillon ständig.“ Sie streckte ihre Hand aus. „Und diesen Ring. Ichhabe ihn von meinem Vater. Inzwischen passt er mir nur noch am kleinen Finger, aber er ist alles, was ich von ihm habe.“
„Du lebst seit Wochen mit mir zusammen und erzählst mir erst jetzt davon?“
„Du bist die einzige Person, der ich es je erzählt habe.“
„Du armes kleines schwarzes Mädchen.“ Er berührte ihre Wange. „Fast gar nicht schwarz und trotzdem ist der weiße Mann hinter dir her.“
„Ich bin genauso schwarz wie du, auch wenn deine Haut dunkler ist als meine. Jede Farbe ist farbig und das weißt du. Aber ich glaube nicht, dass der weiße Mann hinter mir her ist. Jedenfalls nicht so, wie du es meinst. Ich habe genauso viele weiße Freunde wie schwarze. Wenn es hier überhaupt einen Unterschied gibt, dann den, dass man uns wegen unserer Hautfarbe schätzt. Sie macht uns besonders.“
„Das verstehst du falsch. Die Weißen, auch die Franzosen, sehen in dir einen guten Neger, einen, der fast so aussieht wie sie, spricht wie sie und sich benimmt wie sie. Du bist für sie wie ein Püppchen, mit dem man spielen kann und um das einen andere Weiße beneiden. Bis sie dich satthaben, weil du ihnen zu aufmüpfig wirst. Dann feuern sie dich in die Ecke.“
„Reden wir von dir oder von mir, Gerard? Denn ich bin niemandes Püppchen.“
Sein Tonfall beruhigte sich. Er legte seine Arme um sie. „Du bist mein Püppchen.“
In einem Augenblick absoluter Vertrautheit hatte sie ihm ihr Geheimnis anvertraut und nun verwendete er es gegen sie. Sie befreite sich aus seiner Umarmung. Das Armband hing schwer an ihrem Handgelenk. „Vergiss bloß nicht, dass du nicht mit mir spielen kannst. Ich bin echt.“
Er spielte in dieser Nacht mit ihr. Mal ignorierte er sie, dann wieder besänftigte er sie durch seine Aufmerksamkeit. Beim Abendessen erzählte er den Trumbles lustige Anekdoten über sie und später bei einer Party im Le Dome auch anderen. Er verließ ihren Tisch, um sich zu Cloudy zu setzen, die aus Englandzurückgekehrt war. Und als er zurückkam, trank er zu viel. Je mehr er trank, umso heiterer wurde er.
Sie saßen in einem kleinen Nachtklub am Montmartre. Nicky kannte die Musiker, zwei müde ältere Männer, die
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