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Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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die Tanzfläche. Eine erfolgreiche Nacht für das Les Américains begann.
    „Mr Benedict?“ Sie entfernte sich vom Piano.
    „Möchten Sie tanzen?“
    „Verzeihen Sie, aber ich tanze nur alleine.“
    „Warum machen Sie nicht mal eine Ausnahme?“
    Sie sah, dass Cloudy sie beobachtete. „Was ist mit Ihrer Freundin? Wird sie Ihr nächstes Buch auch dann noch finanzieren, wenn Sie mit mir tanzen?“
    „Mir sagt niemand, was ich zu tun oder zu lassen habe.“
    „Ich tanze nicht mit Gästen, weder mit schwarzen noch mit weißen. Dann ist auch niemand traurig.“
    „Ich bin traurig.“
    Sie spürte, wie etwas in ihr zu kribbeln begann. Obwohl sie tausend witzige Antworten kannte, fiel ihr jetzt keine einzige ein.
    „Ich hole Sie nach der Arbeit ab.“ Er rückte etwas näher an sie heran. „Wir werden zusammen frühstücken.“
    „Warum?“
    „Warum nicht?“
    „Machen Sie, was Sie wollen.“
    Seine Zähne hoben sich leuchtend weiß von seiner dunklen Haut ab. Sein Gesicht wirkte sehr exotisch auf sie, breit und geheimnisvoll, ein höchst afrikanisches Gesicht, das an Stammeskrieger und mystische Rituale erinnerte. „Ich werde tun, was ich will, Nicky Valentine.“ Und er küsste ihre Hand vor Cloudys Augen.
    Gerard war der Autor mehrerer von den Kritikern gefeierter Bücher und er besaß bereits einen Vertrag für ein weiteres Buch. Er gehörte zu einer schwarzen Widerstandsbewegung in Harlem, die von den Bürgerrechtlern Langston Hughes und William Edward Burghardt Du Bois angeführt wurde. Und Nicky arbeitete als Hostess in einer Bar, in der sie Charleston tanzte.
    Sie saßen zwischen Geranientöpfen und dem Tisch eines schweigsamen Pärchens eingezwängt auf der Terrasse des Le Dome auf dem Montparnasse und tranken stark gerösteten Kaffee zu ihren Croissants. Nicky war vorher zu Hause gewesen, um zu baden und das Kleid gegen Rock und Pulli einzutauschen.
    „Heute wird ein heißer Tag“, sagte sie, während sie nach einem Croissant griff. „Wir schließen in einem Monat.“
    „Schließen?“
    „Klar. Niemand bleibt im August in der Stadt. Falls doch,wird es schwierig, etwas zum Essen einzukaufen.“
    „Wohin fährst du?“ Er lehnte sich zurück. Seit sie im Café saßen, hatte er sie keine Sekunde aus den Augen gelassen. Sie war nicht daran gewöhnt, so intensiv unter die Lupe genommen zu werden, und rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum.
    „Hierhin oder dahin. Mal Spanien, mal Südfrankreich. Clarence’ Freunde besitzen ein Haus in Antibes. Vielleicht fahren wir dorthin.“
    „Du nennst deinen Großvater Clarence?“
    „Seltsam, nicht wahr?“ Weitere Erklärungen ersparte sie sich. „Erzähl mir von dir.“ Sie hatte ihm bereits die grundlegenden Eckdaten ihres Lebens geliefert. Ihre Zeit in Paris, ihre Ausbildung, eine verschleierte Version ihres Lebens in New Orleans, aber Gerard hatte bisher wenig über sich selbst erzählt.
    „Mit Alabama hast du dich geirrt. Ich bin in Georgia aufgewachsen und mit zehn nach Harlem gezogen. Mein Vater hatte noch keine zwei Ernten eingefahren, als der weiße Mann uns die Farm wegnahm. Wir sind mit nichts außer einem Maultier und einem alten Planwagen nach Norden gefahren. Meile für Meile. Als wir die Mason-Dixon-Grenze überquerten, hatten wir nicht einmal mehr das Maultier. In Maryland starb dann mein Vater, und uns fehlte das Geld, um ihn anständig zu begraben.“
    Nicky wusste bereits, dass Gerard kein Mitleid wollte. Deshalb nickte sie nur.
    „Ein paar mitfühlende Kirchenleute halfen uns, meinen alten Herrn zu begraben. Dann kauften sie uns Zugtickets nach New York. Mein Vater hatte alles vertrunken, was er verdiente. Wir zogen bei seiner Cousine ein. Sie zog uns auf, bis wir alt genug waren, auf eigenen Füßen zu stehen.“
    „Und was war mit deiner Mutter?“
    „Starb früh. Sehr früh.“
    „War es in Harlem besser als in Georgia?“
    „Kein Ort ist besser als der andere.“
    Sie spielte mit ihrer Kaffeetasse. „Dann warst du schon überall?“
    „Fast.“
    „Du bist ein harter Brocken, oder?“
    Er lächelte und der Schatten auf seinem Gesicht verflog. „Du hast noch nicht genug von der Welt gesehen, um zu verstehen, was ich meine.“
    „Weshalb unterhalten wir uns dann überhaupt?“
    „Du bist etwas ganz Besonderes.“ Seine Stimme war voll und tief, und seine Worte, so klischeehaft sie auch waren, hingen immer noch in der Luft und berührten sie in ihrem Innersten. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Ja, ja.

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