Gefahrliches Vermachtnis
sie und lächelte oberflächlich. „Obwohl ich bezweifle, dass wir aus derselben Gegend der Stadt stammen.“
„Sie sind aus New Orleans?“
Sie mochte seine Stimme, weich und tief. Der typische Akzent ihrer Heimat brachte ihr längst vergessene Erinnerungen zurück. „Leider kann ich trotzdem nicht zurück“, sagte sie. „Was führt Sie hierher?“
Einer der Männer rückte ihr den Stuhl zurecht. Sie setzte sich. Robby murmelte etwas und überließ sie sich selbst.
Der erste Mann, dem sie vorgestellt worden war, antwortete. „Wir gehören zum Außenministerium. Man hat uns hergeschickt, damit wir ein Auge auf die amerikanischen Waren werfen, die über diesen Hafen verschifft werden. Unsere Regierung will sicherstellen, dass nichts in falsche Hände gerät.“
„Wie nett von der Regierung, sich darum zu kümmern“, erwiderte Nicky. „Und die Franzosen wissen, dass Sie hier sind? Sie scheinen aus Ihrer Anwesenheit kein Geheimnis zu machen.“
„Wir haben ein Abkommen.“
„Und wir wissen alle, was ein Abkommen mit Vichy wert ist.“ Sie signalisierte Abdul, der die Drinks servierte, dass sie durstig war.
„Sie mögen Casablancas Regierung nicht?“, fragte Hugh Gerritsen.
„Oh, nicht so wie Roosevelt und seine Freunde sie mögen. Ich war in Frankreich, als die Deutschen einmarschierten. Und auch weiter im Süden wäre ich als Gast nicht willkommen gewesen. Hitler und seine französischen Marionetten finden dunkle Haut nicht sehr reizvoll.“ Sie entdeckte Mitgefühl inseinen Augen. „Ja“, bestätigte sie. „Ich bin keine Weiße.“
„Fühlen Sie sich hier sicher?“, fragte Hugh.
„Ich fühle mich nirgendwo sicher. Nur ein Idiot oder eine ganze Nation von Idioten kann die Augen davor verschließen, was überall auf der Welt los ist.“
Der Mann, der neben Hugh saß, mischte sich in die Unterhaltung ein. „Weshalb kehren Sie nicht in die Staaten zurück, wenn Sie sich nicht sicher fühlen?“
„Ich bin als Kind nach Frankreich gekommen, mit den Papieren meines Großvaters. Er starb und mir fehlt nun ein Beweis meiner Staatsbürgerschaft. Die Unterlagen waren unauffindbar, als ich Paris in Eile verließ. Ich war nicht die Einzige, die versucht hat rauszukommen, und einer Menge anderer Leute war leichter zu helfen.“ Sie erwähnte nicht, dass es sich bei diesen anderen um Weiße handelte. Es gab keinen Beweis, dass Rassismus etwas mit ihrer misslichen Lage zu tun hatte, aber sie war sich sicher, dass diese Männer sie nicht verstehen würden.
„Verfolgen Sie die Sache noch?“, fragte Hugh.
„Ich werde hier mein Glück versuchen. Wenn der Krieg aus ist, wird die Welt anders aussehen. Und dann entscheide ich, wo mein Zuhause ist.“
„Heißt das, Sie glauben, Hitler könnte Erfolg haben?“
Sie konzentrierte sich auf Hugh. Er hatte das ernste Gesicht eines jungen Gary Cooper, nussbraune Haare und blaue Augen, die zu funkeln schienen, wann immer er etwas sagte. Er war einige Jahre jünger als seine Kollegen und der Einzige von ihnen, der klug genug gewesen war, sich den Wetterbedingungen Casablancas entsprechend zu kleiden. Sein Anzug war aus heller leichter Wolle, und sein blaues Hemd stand am Kragen offen.
„Ich habe keine Ahnung, was Hitler vorhat“, antwortete Nicky. „Aber ich weiß, dass ich, sollten die Deutschen hier landen, am Strand stehen und Steine auf sie werfen werde. Man muss sie irgendwie aufhalten.“
Er sah sie neugierig an. „Aber Sie singen für die Deutschen?“
„Klar. Ich nehme ihr Geld und genieße jeden Cent. Ich trinke sogar mit ihnen – wenn ich mir den Drink selbst einschenken darf.“ Sie beugte sich vor. „Aber ich verachte nicht die Deutschen, Mr Gerritsen. Ich verachte die Nazis und Faschisten auf der ganzen Welt, auch diejenigen, die in meinem Heimatland keine Unterschiede tolerieren.“
Er antwortete zwar nicht, schien aber merkwürdigerweise einer Meinung mit ihr. Sie lehnte sich zurück. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Phillip mit dem Mineralwasser, das sie bei Abdul bestellt hatte, an den Tisch kam. Stolz legte sie den Arm um seine Hüfte. „Das ist mein Sohn, Gentlemen!“
Hugh reagierte als Erster. Er streckte seine Hand aus. „Hi! Meine Freunde nennen mich Hap. Ich habe gesehen, wie du die Papageien gefüttert hast. Du bist mutiger als ich.“
Die Männer sprachen mit Phillip, fragten ihn nach der Schule und wie er seine freie Zeit verbrachte. Sie beobachtete, wie ihr Sohn sich ihnen öffnete. Über die Jahre hatte sie alles
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