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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Polizei schon alles erklärt. Wer bist du eigentlich?«
    »Mein Name ist Varg Veum. Johnny und ich sind zusammen – aufgewachsen.«
    »Ja, das könnte zu dir passen. Ich habe nichts zu sagen.«
    »Aber du hattest dich am Samstag mit ihm verabredet?«
    Sie preßte demonstrativ die Lippen zusammen.
    »Deswegen bist du verschwunden, mitten im Tanz. Und deshalb ist er nicht aufgetaucht.«
    Sie öffnete den Mund ein wenig. Dann schloß sie ihn wieder.
    »Oder hast du ihn getroffen? Draußen auf der Straße?«
    Stille. Der Programmleiter auf Sky redete wie ein Eishockeyreporter bei einem WM-Finale zwei Minuten vor dem Pfiffbei zwei Toren Vorsprung für die Sowjetunion.
    Ich trug noch ein bißchen mehr auf. »Mit einem Messer in der Hand?«
    Sie sagte resigniert: »Nein. Ich hab’ ihn nicht getroffen. Ich bin verschwunden, um das zu vermeiden. Er glaubte, er … Er hatte angefangen, sich was einzubilden.«
    »Und was? Dasselbe wie alle wir anderen, die da sitzen, unten im Saal?«
    »Das ist Show!« sagte sie, als spräche sie mit einem Kleinkind. »Eine Rolle, die ich spiele.«
    »Mit haufenweise Erfahrung, wie es scheint«
    »Wie es scheint!« wiederholte sie höhnisch. »Was du da siehst, das bin nicht ich. Das hier bin ich. Ein ganz gewöhnliches Mädchen aus Lindås.«
    »So ganz gewöhnlich wohl nicht. Ich meine – als wir dich in der Garderobe trafen, und am Tag darauf, im Hot Spot … Es schien nicht gerade, als würdest du …«
    »Das war immer noch nur Spiel. Zwischen zwei Auftritten – und ein paar Stunden danach. Man kann nicht einfach mit den Fingern schnippen – so – und von der einen Persönlichkeit zur anderen wechseln.«
    »Wie Danny Kaye in Der Hofnarr? «
    »Wer?«
    »Vergiß es. Aber bei all dem, was du ein Spiel nennst, hat Johnny Solheim jedenfalls Feuer gefangen.«
    Sie lächelte ein glitzerndes, aber hermetisches Lächeln. »Ich bin schließlich nicht doof! Ich weiß, was ich bei Männern anrichte, und ich werde … Ich mag es, sie da hängen zu sehen, hilflos. Aufgeregt wie – wie Paviane in einem Glaskäfig, während ich draußen stehe und – mich vor ihnen entblöße!«
    »Das klingt nicht ganz ungefährlich.«
    »Es war für mich nie gefährlich.«
    »Es klingt jedenfalls nach einer ganz schön verdrehten Form von Sexualität.«
    »Dann komme ich vielleicht aus einem verdrehten Milieu?«
    »Ja?«
    »Vielleicht hab’ ich mir mal geschworen, daß mich keiner kriegt – bis ich es selbst will. Bis ich – rechtmäßig verheiratet bin.«
    »Und warum das? Heutzutage?«
    »Na, dann hör mal zu. Ich komme aus – ich bin im finstersten Bethausmilieu aufgewachsen, das du dir vorstellen kannst.«
    »Das muß sehr finster sein.«
    »Aber trotzdem erinnere ich mich an eine sonnige Kindheit. Wir waren – viele Geschwister, und wir haben es zusammen schön gehabt. Aber all die Geburten kosteten meine Mutter Kraft, so sehr, daß der Arzt ihr empfahl, abzutreiben, als sie noch einmal schwanger wurde. Andernfalls wäre ihr Leben in Gefahr. Aber Vater war dagegen. Mord an einem Embryo wäre eine Todsünde, sagte er, und entspräche einem selbstbestellten Abonnement auf ewige Verdammnis. Also tat sie es nicht … Und …« Ihre Stimme versagte.
    Ich sagte vorsichtig: »Sie …«
    Sie nickte. »… starb.«
    »Und dein Vater?«
    »Er nahm es schwer, natürlich.«
    »Fing an zu trinken?«
    »Nein, stell dir vor, das tat er nicht! Er war davon überzeugt, daß alles Gottes Wille wäre, und erhob nie eine geballte Faust gen Himmel aus Protest. Aber – er wurde nie wieder der alte. Ich kann mich kaum daran erinnern, ihn danach lächeln gesehen zu haben. – Aber damals schwor ich mir … ja.«
    Es wurde still zwischen uns. Ich verstand sie jetzt besser. Sie stammte aus einer dunklen Landschaft, und da kann man große Probleme kriegen, wenn man endlich ans Licht taucht. Sie kam aus einer Gegend, in der Sexualität das Spiel ist, dessen Regeln du nie lernst, und um so wahrscheinlicher war es, daß sie sich später im Leben in den Regeln verstrickte. Sie kannte weder ihre eigene Stärke noch die Schwäche der anderen. Solche Konflikte hatten schon öfter mit dem Tod geendet, aber in dem Fall war Johnny Solheims Tod ein Einzelfall, und hatte weder mit Harry Kløves noch mit Arild Hjellestads Tod etwas zu tun. Aber das paßte auch nicht. Was war dann mit den verdammten Engelbildern?
    »Also bist du verbittert, deinem Vater gegenüber?«
    »Verbittert?« Sie ließ das Wort in der Luft hängen, als hätte sie

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