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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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reingeschaut.«
    Wir standen da und sahen ihm nach, als wären wir auf einer Cocktailparty, und er hätte uns in einer äußerst peinlichen Situation zurückgelassen.
    »Ich glaube, ich möchte lieber den Bus nehmen, Varg.«
    »Gut, aber dann laß mich dich wenigstens da hinbringen.«
    Sie zuckte mit den Schultern und setzte sich in Bewegung, mit einem Gesichtsausdruck, der mir sagte, daß dies ein freies Land war, und ich gehen konnte, wohin ich wollte.
    »Wo fährt er ab?«
    »Am Busbahnhof.«
    Wir blieben in der Stromgate stehen und warteten auf Grün.
    »So hatte ich es mir nicht vorgestellt, dich wiederzutreffen, Rebecca.«
    »Nein?« Sie streifte mich mit einem flüchtigen Blick, als verstünde sie nicht, warum ich sie überhaupt hatte wiedertreffen wollen.
    Der grüne Mann leuchtete auf, und wir überquerten die Straße.
    »Berge Brevik, war er da, um zu – vermitteln?«
    »Entschuldige, aber das geht dich nichts an, Varg.«
    »Nein. Nein, das stimmt wohl.«
    Auf der linken Straßenseite erhob sich im Süden die Grieghalle: ein rostbraunes Gitter, hohe, schmale Glasflächen und eine Grundmauer, die aus einem Weinmonopolgeschäft und einer Bankfiliale bestand. An der Kreuzung Lars Hilles gate hatten wir erneut Rot und blieben stehen.
    »Und das, was 1975 passierte, geht mich das was an?«
    Sie sah starr vor sich hin, und ihr Gesicht bekam einen gekünstelten Zug. »1975?«
    »Ja. Am 16. Oktober. Du weißt, was da passiert ist, stimmt’s?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Der Anlaß dafür, daß die Harfenjungs auseinandergingen. Der Schwanengesang der Harpers. – Wie könnte man es nennen … Das Bankett der gefallenen Engel?«
    Es wurde grün, und sie ging los. »Gefallene Eng … Ich verstehe nicht, wovon du sprichst, Varg.«
    »Nein?«
    »Nein!«
    »Es war eine Art Meeting, zu Hause bei Johnny Solheim. Alle waren da, und außerdem Jan Petter Olsen, Johnnys Töchter, Ruth und Sissel …«
    »Die waren doch noch Kinder! Damals.«
    »Genau. – Aber was ist an dem Abend passiert, Rebecca? Was ist passiert?«
    »Wie soll ich das wissen? Ich war nicht da!«
    »Nein, nein, aber paß mal auf, was nach diesem – Meeting passierte. Eine Ehe ging den Bach runter, auf der Stelle. Johnny und Anitas. Die Beziehung zwischen Arild Hjellestad und Halldis Heggøy ging kaputt …«
    »Halldis Heggøy«, wiederholte sie leise, wie man einen Namen nennt, den man fast vergessen hat.
    »Die Ehe zwischen dir und Jakob bekam ernsthafte Risse, eben in den Jahren danach.«
    »Was weißt du denn davon?«
    »Ich …«
    Wir waren an der letzten Kreuzung angekommen. Vor uns lag der alte Busbahnhof wie eine einzige große Baustelle. Hinter den Gerüsten konnte man den neuen Busbahnhof erahnen, der sich zwei Stockwerke über dem alten erhob, in der Verlängerung des Flughafens, den sie dort angelegt und ein Parkhaus genannt hatten. Um zu den Bussen zu kommen, mußte man durch einen Korridor von Stahlelementen, die hoffentlich solide genug waren, um einen gegen herunterfallenden Beton und Stahlbalken zu schützen.
    Als wir den letzten grünen Mann erblickten, trat sie auf den Fußgängerüberweg hinaus.
    Ich folgte ihr. »Aber vergiß das alles. Ein anderer Punkt ist viel wichtiger, Rebecca. Denn von den fünf Kerlen, die da waren, bei Johnny, an dem Abend, ist jetzt nur noch einer übrig – am Leben. Und das ist Jakob. Die vier anderen sind tot.«
    Sie blieb abrupt stehen, auf dem Bürgersteig. Sie sah mich jetzt direkt an, als hätte ich ihr etwas erzählt, worüber sie vorher noch nicht nachgedacht hatte. Ihre Nasenflügel wurden schmal und blaß, und ihr Gesicht schien sich einen Augenblick lang zusammenzuziehen wie bei einem plötzlichen Schmerz. »Das – sind sie«, sagte sie langsam.
    »Und du hast immer noch keine Ahnung, was an dem Abend passiert ist? Nichts?«
    »Nichts, Varg.«
    Wir standen einen Augenblick lang da und sahen einander an. Auf der Baustelle zischte ein Schweißbrenner, und hoch über uns, auf der Spitze eines Lichtkegels, schwang ein großer, gelber Kran von West nach Ost, mit einem gigantischen Stahlbalken am Haken.
    »Berge Brevik – was wollte er, Rebecca?«
    »Das geht dich nichts an, Varg – hab’ ich doch gesagt.«
    »Diese anderen Frauen. Hast du Kontakt zu ihnen gehabt, später?«
    Sie setzte sich wieder in Bewegung, in den erleuchteten, blauen Stahlkorridor hinein. Unsere Schritte hallten hohl von den Wänden wider. »Zu wem?«
    »Anita Solheim. Ihren Töchtern. Halldis Heggøy. – Waren da

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