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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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sicher. Und ob sie etwas auf einer Bühne zu suchen hatten, dessen war ich mir noch weniger sicher, dünnhaarig und übergewichtig, wie sie geworden waren, jedenfalls die meisten von ihnen.
    Dann kam Rebecca eilig von der Bushaltestelle am Årstadvei herunter. Sie ging mit langen Schritten, als sei sie auf dem Weg von einer Epoche in die nächste, und ihr Gesicht hatte diesen ewig flüchtigen und gedankenverlorenen Zug.
    Ich ging zu ihr hinüber. »Hei! Danke für …«
    Sie unterbrach mich: »Nicht jetzt, Varg. Wir sprechen uns später.« Ihr Blick ging an mir vorbei, starr und abwartend.
    Ich drehte mich um und folgte ihm. Jakob war auf dem Weg auf uns zu, während er nach rechts und links grüßte.
    Aus dem Augenwinkel erkannte ich noch mehr bekannte Gesichter. Sowohl Gro als auch Kari waren da. Mein Blick blieb an Kari hängen, und ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, bevor sie den Blick senkte.
    Dann hatte Jakob uns erreicht. Als er Rebecca begrüßte, war es, als sähe ich sie aus großer Entfernung, wie zwei Figuren in einer Zeichentrickfolge, mit Eisatem um die Gesichter und stummen Sprechblasen vor dem Mund.
    »Hallo, Jakob«, sagte Rebecca.
    »Hei«, sagte Jakob mit einem eigenartig verkniffenen Gesichtsausdruck.
    »Wie – geht’s?«
    »G-gut«, sagte Jakob, und fügte dann hinzu: »Soweit.«
    Ich räusperte mich, und sie wandten mir ihre Gesichter zu, als hätten sie vergessen, daß ich da war.
    Jakob lächelte schief und sagte zu Rebecca: »Varg und ich haben – uns wiedergetroffen, Rebecca.«
    »Das habe ich gehört.«
    »Ja, sicher.«
    Dann wurde es still zwischen uns. Ganz still.
    Ich machte eine Handbewegung und trat zur Seite. »Ich werde mal eben … Wir sehen uns.«
    Ich ging zu Belinda Bruflåt hinüber. Sie sah mich mit feuchtem Mund und trockenen Augen an, immer noch unsicher in der Wahl der Rolle. Neben ihr stand Stig Madsen, mit einem Gesichtsausdruck, als sei er ihr Manager und ich ein möglicher Konkurrent. Ich nickte ihm zu und wandte mich an Belinda. »Ist Ruth Solheim hier?«
    »Wer?«
    »Tu nicht so. Ich weiß, daß du sie kennst. Siehst du sie?«
    Sie ließ den Blick über die mittlerweile ziemlich große Versammlung gleiten. Dann schüttelte sie den Kopf, stumm.
    »Aber du weißt, wo sie …«
    »Wir reden später darüber«, sagte sie und ging langsam auf den Eingang zu, ohne mich anzusehen.
    Stig Madsen folgte ihr, aber er betrachtete mich mit schlecht verhohlenem Triumph.
    Na gut, dann würden wir eben alle später miteinander reden. Vielleicht bot sich die Gelegenheit bei irgendeiner Beerdigung.
    Auf der obersten Stufe einer Treppe, die zu einem Feld mit Gräbern führte, stand Vegard Vadheim, so unbeweglich wie ein Grabstein. Aber sein Blick glitt über die Versammlung, forschend, von Gesicht zu Gesicht. Er bekam das meiste mit.
    Die einzigen, die ich nicht sehen konnte, von denen, denen ich in den letzten Tagen begegnet war, waren die alte Frau Kløve, aus natürlichen Gründen, und Halldis Heggøy, vielleicht aus religiösen.
    Mit anderen Worten war die Chance groß, daß derjenige, der Johnny Solheim umgebracht hatte – und vielleicht auch Harry Kløve, Arild Hjellestad und Jan Petter Olsen – selbst bei der Beisetzung anwesend war.
    In dem Fall war der Mörder mitten unter uns. Aber wer war er – oder sie? Und wann würde Ruth Solheim auftauchen?
    Die Türen der Kapelle wurden geöffnet, und die Leute strömten um den Eingang zusammen. Mir fiel auf, daß sich Jakob und Rebecca jeder auf eine Seite des Mittelganges setzten. Ich fand einen freien Platz neben Jakob.
    Er warf mir einen Blick zu und murmelte: »Ich muß mit dir reden, Varg. Hinterher.«
    Ich nickte.
    Ganz vorne rechts saß Bente Solheim, der Sohn und die nächste Familie. Ein paar Bänke weiter hinten hatten Anita Solheim und Sissel Platz genommen, allein.
    Ich wandte mich zum Eingang. Es strömten immer noch Leute herein. Aber ich konnte niemanden als Ruth Solheim identifizieren.
    Ganz zum Schluß kam Vegard Vadheim, mit gebeugtem Nacken und offen hängendem Mantel. Er nickte dem Mann vom Beerdigungsinstitut zu, wie um zu sagen, daß sie jetzt anfangen könnten, nahm dann in der letzten Bank Platz und ließ den Blick hellwach durch den Saal gleiten.
    Ich begegnete seinem Blick und nickte leicht, ohne eine unmittelbare Reaktion zu erhalten. Dann wandte ich die Aufmerksamkeit wieder nach vorn.
    Der Pfarrer trat von links herein.
    Es war Berge Brevik.
    Er ging mit hoch erhobenem Kopf, als

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