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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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würde er von unsichtbaren Fäden gehalten. Seine Bartstoppeln vibrierten schwach, und bevor er sich vorn bei der Kanzel hinsetzte, mit gefalteten Händen, warf er einen langen Blick über die Versammelten, fand Rebecca, Jakob und … mich, als hätte er Radar eingebaut, nickte zur Empore und ließ den Blick fallen.
    Oben auf der Empore stimmte eine wunde, zittrige Violinstimme an: In einsamen Stunden …
    Eine plötzliche Nachdenklichkeit erfüllte den Raum.
    Berge Brevik erzählte, wie die meisten Pfarrer, von einem Johnny Solheim, den niemand von uns kannte, aber von dem vielleicht einige ab und zu geträumt hatten.
    Er erzählte von dem ideenreichen und arbeitsamen Johnny Solheim, einem fleißigen Repräsentanten »für so viele Branchen«, wie er es ausdrückte. Er war außerdem ein Künstler, ein Artist innerhalb eines verketzerten Bereiches des kulturellen Lebens, jedenfalls auf der lokalen Ebene, mit einer Bandbreite, die ihm ungeahnte Möglichkeiten erbracht hätte, wenn er zum Beispiel aus Liverpool, England oder Memphis, Tennessee, und nicht aus Bergen, Norway, gekommen wäre. Auf der privaten Ebene war er ein guter und aufopfernder Vater gewesen und der beste Freund seiner … hrmmm … äh, Ehefrau. Jetzt wo er fort war, so viel zu früh und plötzlich, hinterließ er eine Leere und eine Sehnsucht, die niemals durch etwas anderes ausgefüllt werden könne als durch das, was das Angebot der Worte des Trostes und die Versöhnung mit der Unabwendbarkeit des Todes geben konnten. »Gott hat uns die Gabe des Trostes gegeben, und nur Jesus, Gottes Sohn, kann dich damit versöhnen, dich fragen lassen, mit Paulus im ersten Brief an die Korinther: Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?«
    Selten hatten so viele Rocksänger so laut im Chor gesungen und in solchen Wendungen, wie als sich die Stimmen zum Dach in Mollendal erhoben und die Flügel des Gesanges durch den Raum rauschten. Die Stimmgewalt und das Volumen waren vielleicht verbraucht, aber die Präzision war dieselbe, und die Melodien erhielten eine Erhebung, wie man es selten erlebte, und die sogar die bestellten Vorsänger auf der Empore dazu brachte, den Blick von ihren Gesangbüchern zu heben und über die Kante in den Saal hinunterzuspähen.
    Nach der Versenkung des Sarges gingen Bente Solheim und der kleine Sohn nach vorn und warfen jeder eine langstielige, rote Rose auf den Sarg. Dann strömten wir alle hinaus.
    Niemand blieb am Ausgang stehen, um Kondulationen entgegenzunehmen. Es war nicht schwer vorstellbar, warum. Es ist eine Sache, der früheren Frau seines verstorbenen Mannes die Hand zu reichen. Etwas ganz anderes war es aber, dessen Mörder die Hand zu geben.
    Ich sah mich draußen um. Die Leute sammelten sich in Gruppen, die gemeinsam wieder hinunter in die Stadt fahren wollten.
    Rebecca war schon eilig auf dem Weg hinauf zum Bus, um nicht zu riskieren, mit einem von uns mitfahren zu müssen.
    Jakob trat neben mich und murmelte: »Sag mal, Varg … Hast du nicht letztens was von – einem Engelbild gesagt?«
    Ich sah ihn erschrocken an. »Ja?«
    »Jetzt habe ich auch eins erhalten.«
    »Was sagst du da?«
    Er sah fast feierlich aus, wie er da stand und nickte.
    »Hast du es – hier?«
    Er nickte wieder, steckte die Hand in die Tasche und zog einen zusammengeknüllten Briefbogen hervor.
    Ich griff danach und steckte ihn in die Tasche. Ich sah mich um. Die meisten waren schon gegangen. Bente Solheim stand an die ältere Frau gelehnt, von der ich annahm, daß es ihre Mutter war. Sie weinte leise, während der Sohn neben ihr stand und zu ihr aufsah, mit so großen Augen, wie sie nur Kinder haben können, bei solchen Anlässen.
    Vegard Vadheim ging auf mich zu, durch die Ausgangstür. »Na, Veum? Was Neues?«
    Ich schüttelte den Kopf, mit knirschenden Nackenmuskeln. »N-nein. Ich glaube nicht. Sie ist wohl auch zur Beerdigung nicht gekommen.«
    »Nein. Aber wir werden sie finden. Und zwar bald. Es eilt.«
    Ich nickte, sagte aber nichts mehr.
    »Vergiß nicht, dich zu melden, wenn dir was über den Weg laufen sollte.« Er warf einen zweideutigen Blick auf Jakob, nickte und ging weiter, hinunter zum Parkplatz.
    Jakob sah mich an. »Was meinte er damit?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Eine Phrase. Was Leute aus der Branche so sagen. – Komm her.« Ich zog ihn mit mir weg von der Kapelle, einen Weg zwischen Grabsteinen hinauf und in den Schutz hinter ein paar großen, längst verblühten Rhododendronbüschen.
    Dann holte ich den Brief

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