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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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lächelnd aufgestanden waren und Ja gerne gesagt hatten zu dem, der von hinten und an mir vorbeikam, Mädchen, die durch das Busfenster hinaussahen und ›Das glaube ich dir nicht‹ gesagt hatten, wenn ich ihnen erzählte, daß ich in sie verliebt sei, und Mädchen, die mich mitten auf der Tanzfläche hatten stehen lassen, wie Bella Bruflåt jetzt, und nie wiedergekommen waren. Im Gegensatz zu Stig Madsen fühlte ich keine Unruhe. Es war vergebliche Liebesmüh. In mir war nur Gewißheit. Es war nicht das erste Mal.
    Ich sah zu Jakob. Etwas war geschehen. Sein Gesicht zeigte akuten Widerwillen, und sein Blick war starr und glasig.
    Ich folgte seinem Blick. Er war auf die Kleopatradame und ihren Partner gerichtet. »Was ist los, Jakob?«
    Er riß sich los, blinzelte und murmelte: »Ach, ich hab’ nur jemanden … gesehen. Ich glaube, ich … Es wird langsam spät. Ich glaube ich sollte mal an – dran denken, daß morgen auch ein Tag ist.«
    »Aber – wer war das, Jakob?«
    Ohne ein anderes Zeichen richtete er den Blick auf dasselbe Paar. »Wir nannten ihn immer …« Er strich sich übers Kinn. »Kapitän Krok. Er ist Zahnarzt.«
    »Kapitän Kr … Der Mann von Gro?«
    Er nickte.
    »Weiß er von … Kennt er dich?«
    »Ich glaube nicht. Aber ich möchte es nicht ausprobieren, falls … Ich gehe!«
    »Dann ist Gro heute also doch allein zu Hause.«
    Er nickte stumm.
    »Aber wer ist – kennst du die, mit der er tanzt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wo, zum Teufel, bleibt denn der Johnny?« stieß Stig Madsen hervor. »Ich geh’ mal nach ihr sehen.«
    Jakob sah mich vielsagend an. »Gehst du auch, Varg?«
    Ich zögerte. »Ich glaube, ich – bleibe noch ein bißchen. Aber ich kann mit vor die Tür kommen.«
    Wir bewegten uns alle drei in Richtung Ausgang, durch das Meer von Tanzenden, wie drei Inspektoren der Gesundheitsbehörde auf Exkursion, und ich fragte mich, was wohl die Feuerwehrinspektion zu dem Laden gesagt hätte.
    Als ich an der Kleopatradame und Kapitän Krok vorbeikam, sah ich sie mir schnell genauer an. Er hatte die Augen halb geschlossen und ein seliges Lächeln auf den Lippen, als tanze er im Traum mit einer Meerjungfrau. Sie hatte den Kopf an seine Brust gelehnt. Sie trug eine jahrtausendalte Gesichtsmaske aus weißem Puder, aber unter der Schminke konnte ich vage einen blaugrauen Schatten erkennen, und plötzlich erkannte ich sie wieder. Es war Bente Solheim mit schwarzer Perücke.
    Wir kamen zum Ausgang. Hier war das Leben ins Stocken geraten. Einige versuchten, hereinzukommen, andere wollten hinaus, aber niemand konnte auch nur einen Schritt tun. Eine halbe Minute verbrachte ich in einer Situation, die an einen unfreiwilligen Beischlaf im Stehen erinnerte, mit einer rothaarigen Dame in schwarzer Wildlederhose und engem grünem T-Shirt. Dabei fiel mir eine Geschichte wieder ein, die ich einmal gehört hatte, von einer Frau, die behauptete, daß sie in der U-Bahn von Rom während der Rush-hour vergewaltigt worden und schwanger geworden sei. Es gab durchaus die Möglichkeit, hier das gleiche zu erleben. Wäre die Wildlederdame willig gewesen, hätten wir uns freimachen und es tun können, sogar ohne daß es irgend jemand bemerkt hätte. Aber sie war es nicht. Wir waren absolut nicht auf einer Wellenlänge, und alles, was ich von ihr bekam, war ein Ellenbogen in die Magengegend und ein wütender Kniff in den Po, als wir uns endlich aneinander vorbeibugsiert hatten.
    Es war schwer zu sagen, wo die Schlange vor der Toilette anfing, und wo sie aufhörte, aber Stig Madsen hatte sowieso keine ordentlichen Toilettenmanieren. Als wir endlich zur einzigen Tür vorgedrungen waren, sah er zu Jakob und mir auf und sagte: »Macht Platz – da lang.«
    Wir taten, was er sagte, stemmten den Rücken gegen die Menschenmenge, benahmen uns wie die Bühnenwachen bei einem Bruce-Springsteen-Konzert und kämpften ihm einen oder zwei Quadratmeter frei, gerade genug, damit er die Tür zur Toilette eintreten konnte.
    Die Tür ging auf mit einem Krach, den keiner hörte, und wir stolperten alle drei hinein.
    Die Frau, die auf der Klobrille saß, hatte den Rock hochgezogen und den Slip herunter bis zu den Knien, wie um zu rechtfertigen, daß sie da saß, aber das war nicht der Grund, warum sie da war. Die Einwegspritze lag wie eine Larvenhülle auf dem Boden, und der Schmetterling, der in ihren Blick geflogen war, starb schon langsam wieder.
    Ein Mann um die dreißig, in einem leichten, hellen Jackett, von der Sorte, der man

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