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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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ins Wort fiel, als er sagte: »Es wurde plötzlich so still. Ich fragte mich, ob etwas nicht in Ordnung sei.«
    Jakob erhob sich von seinem Orgelhocker und lehnte sich an das Geländer. »Nein, nein. Ich habe nur Besuch bekommen. Du mußt …«
    »Kann ich raufkommen und Guten Tag sagen, oder störe ich?«
    »Ich wollte dich gerade … heraufbitten.«
    Während der Pfarrer heraufstieg, murmelte Jakob eine schnelle Erklärung. »Das ist Berge Brevik. Er ist hier der Kaplan der Gemeinde. Er weiß von – der Sache mit Rebecca.«
    Dann war Berge Brevik oben angelangt. Er lächelte Jakob an und sah neugierig zu mir. »Dr. Livingstone, vermute ich?« sagte er und lachte ein etwas trockenes Lachen, wie Pfarrer lachen, wenn sie bei einer Tasse Kaffee beim halbjährlichen Gemeindebasar sitzen.
    Wir gaben uns die Hand. Seine Hand war klamm und kalt. So war die Hand des Pfarrers, der mich konfirmiert hatte, auch gewesen. Vielleicht hatte es etwas mit dem Klima in den großen Kirchengebäuden zu tun, kühl und feucht, wie sie oft waren.
    »Mein Name ist Veum. Varg Veum.«
    Er sah mich an mit einem humorvollen Funkeln in den Augen.
    »Und mein Name ist Brevik. Berge Brevik. Frauen und Kinder zuerst, wie sie mich an der Fakultät nannten.« Ein erneutes trockenes Lachen, wie sie in den Essenspausen in der Gemeindefakultät zu lachen pflegten, wenn jemand eine amüsante Geschichte aus Madagaskar erzählte.
    »Ich bin ein alter Schulkamerad von Jakob«, erklärte ich.
    »Schön. Ihr seid die ganze Zeit in Verbindung geblieben?« Er sprach einen abgeschliffenen Moredialekt, von irgendwo in der Mitte zwischen Ålesund und Molde.
    »Nein, leider nicht. Wir …«
    »Wir haben uns Freitag bei der Beerdigung getroffen«, sagte Jakob. »Ich glaube, ich hab’ es dir erzählt. Ein früherer Klassenkamerad.«
    Berge Brevik nickte. »Traurige Umstände, unter denen ihr euch traft. Aber nichtsdestoweniger erfreulich, daß wenigstens etwas Gutes dabei herauskam, was?« Er legte uns beiden eine Hand auf die Schulter. »Daß alte Freunde wieder zusammengeführt werden, was?« Er sah uns beide mit einem väterlichen Blick an.
    Ich betrachtete ihn genauer, während er sprach. Die Haut in seinem Gesicht war blaß, und die dunklen Bartwurzeln waren deutlich zu sehen. Seine Augen waren dunkelblau, die Gesichtszüge schön und klassisch und seine Haltung gerade. Er hatte kräftige weiße Zähne, Lippen, die eine Ahnung rot und feminin wirkten, und die schmalen, weißen Hände waren ausdrucksvoll und nackt.
    Er hatte sich jetzt ganz Jakob zugewandt und sagte leise, mit bekümmerter Miene: »Gibt’s was Neues – bei dir?«
    »Nein. Nichts.«
    »Du hast nichts gehört?«
    »Nichts Neues, nein.«
    Berge Brevik schüttelte betrübt den Kopf. Dann drückte er Jakob die Schulter. »Es wird schon werden, du wirst sehen. Irgendwann kommt es ins Lot.«
    Einen Augenblick stand er da, wie vertieft in seine eigenen Gedanken. Dann riß er sich mit einer sichtbaren Bewegung los, schüttelte offensichtlich die Schwermut ab, lächelte und sagte: »Tja, also. Dann will ich das Gespräch unter Freunden nicht weiter stören. Wie gesagt … Es wurde nur plötzlich so still.« Er reichte mir die Hand. »Vielleicht treffen wir uns mal wieder?«
    Ich gab ihm noch einmal die Hand. »Das ist gut möglich. Für den Fall … Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen, Varg Veum.« Als er ging, fügte er hinzu: »Ich bin froh, daß ich keinen Dienst hatte, als du getauft wurdest. Das hätte lustig werden können.«
    »Du wurdest doch wohl selbst zu der Zeit getauft, oder?«
    »Doch, sicher. Jetzt, wo du es sagst.« Er lächelte noch einmal und ging.
    Als er die Treppe hinunter verschwunden war, sagte ich leise: »Dein privater Seelsorger?«
    Jakob lächelte unbeholfen und sagte zögernd: »So was … Ähnliches.«
    »Apropos … Rebecca.«
    Er wurde wieder ernst. »Ja.«
    »Du hast etwas von ein paar Adressen gesagt, von Freundinnen, bei denen ich nachforschen könnte.«
    Er betrachtete mich mit einem undefinierbaren Augenausdruck. »Du willst also immer noch versuchen, sie zu finden?«
    Ich hob die Arme. »Solange ich zur Zeit keine anderen pressierenden Aufträge habe. Es ist Advent, die Versicherungsgesellschaften fahren auf Sparflamme, und es gibt kaum Jobs auf dem Markt. Ich zehre von den Honoraren vom Oktober. Es tut mir gar nicht schlecht, mich ein bißchen in Bewegung zu halten, um es mal so zu sagen.«
    »Ich kann bezahlen, wenn es das ist, was du …«
    »Nein, nein«,

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