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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Kindheitsbild wich einem bescheidenen Heuberg, mit federleichtem Flaum den langen, weißen Hals hinab auf dem Bild von 1959, aber später wurde der Heuberg in die Scheune gefahren, und als wir 1961 aus der Schule kamen, hatte sie glattes Haar, das sich über den Schultern wellte, und einen Pony, der ihr bis auf die Augen fiel.
    Mehr Bilder gab es nicht. Ich blätterte ziellos weiter in dem Album, das in der Periode bis 1969 äußerst lückenhaft war. Dann war wieder ein paar Jahre lang Hochsaison, mit Ehe, Thomas, Geburt, Taufe und Geburtstagsfeiern, bis das Ganze abrupt 1973 mit der Trennung von Beate endete. Später habe ich nie mehr Fotos gemacht. Das einzige, was ich eingeklebt hatte, waren ein paar Bilder, die ich von Thomas bekommen hatte, mit Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr darauf.
    Ich schlief unruhig. Ich wachte in regelmäßigen Abständen auf, von Fragen, auf die ich keine Antwort wußte. Fragen, die ich mir viele Jahre lang nicht mehr gestellt hatte.
    Am Tag darauf nahm ich mir vor, ein bißchen mehr über die Harpers herauszufinden, bevor ich zu Jakob ging, mit der Botschaft von Rebecca.
    Ich machte einen Abstecher zu der Zeitung, bei der ich mich am meisten zu Hause fühlte, und fragte nach Arild Sletten. Die Rezeption rief ihn an, um zu fragen, ob er Zeit hätte, bekam das bestätigt und schickte mich mit dem Zeigefinger weiter ins Innere der Etage.
    Als ich an einer halboffenen Tür vorbeiging, wurde ich von einem Blick eingefangen, zurück- und hineingezogen. Laila Mongstad saß da und sah mich an, mit einem großen Lächeln, einer großen Brille und einer großen, gekräuselten Haarpracht.
    »Hei, Varg.« Sie stand auf, kam auf mich zu und gab mir einen Gutenmorgenkuß, der bei mir für den Tag sämtliche Flaggen hißte. »Lange nicht gesehen«, sagte sie in ihrem wunderschönen Nordhordalanddialekt, zog einen kleinen Stuhl aus einer Ecke und fragte, ob ich Zeit hätte, mich zu setzen.
    »Ein paar Minuten«, sagte ich. »Ich habe eine Verabredung etwas weiter hinten in diesem Etablissement.«
    Sie lächelte die ganze Zeit. Laila Mongstad hatte ein großes, warmes Herz, das sie zu einer der führenden Sozialreporterinnen der Stadt machte, und ich kannte sie, sporadisch, seit ich beim Jugendamt gewesen war. Sie war zehn Jahre älter als ich, aber an einem bestimmten Punkt unseres Lebens hatten sich unsere Wege auf eine Weise gekreuzt, die ihre Spuren hinterlassen hatte. Bei einer größeren Gesellschaft, bei der mir durch Bekannte von Bekannten ein Eckplatz am hintersten Tisch zugeteilt wurde, hatte ich zu später Stunde meinen festen Aufenthaltsort an die Bar verlegt, und irgendwann nach Mitternacht, betrunkener, als gut für mich war, mich von Angesicht zu Angesicht Laila Mongstad gegenüber gesehen, und das selbe große Lächeln hatte mich angezogen wie ein freier Parkplatz in der Vormittagsrush-hour. – Ich hatte nach ihrem Namen gesucht: Du heißt Si-Si-Sissel … nein! Si-Si … – Und sie hatte gelächelt: Nein, so heiße ich nicht. – Mongstad! hatte ich genau ins Schwarze getroffen, Laila Mongstad. – Und ihr Lächeln war noch größer geworden, in den Augen hatte die Sonne geglitzert, und sie hatte nach spätsommerlichem Jelängerjelieber geduftet. – Später hatten wir gestanden, dicht, sehr dicht beieinander, mit einer Tasse Kaffee in der einen und einem Drink in der anderen Hand, ohne einander umfassen zu können, und uns vorsichtig geküßt, und noch später hatten wir die Drinks und die Kaffees weggestellt, und die Küsse waren mutiger und offener geworden, und ihr Nacken war wie ein Trampolin vor der Nacht, bevor das Dunkel hereinbrach, die Sterne Staub über die Stadt streuten und wir beide unseres Weges gingen, ohne das Spiel vollendet zu haben.
    Später waren wir uns in regelmäßigen Abständen begegnet, und sie brannte ständig wie eine tiefstehende Sonne in meinem Unterleib, aber obwohl seit unseren ersten Küssen ein halbes Jahrzehnt vergangen war, hatte es sich nie ergeben, daß wir den Hunger, den die Sonne zwischen uns immer wieder weckte, wenn wir uns trafen, stillten.
    »Zu wem willst du?« fragte sie.
    »Arild Sletten.«
    Sie sah mich fragend an. »Bist du auf deine alten jungen Tage unter die Rock-’n’-Roll-Fans gegangen, Varg?«
    Ich schüttelte leicht den Kopf. »Ich arbeite an einem Fall, in den eine alte Rock-Band verstrickt ist. – Und du?«
    »Ich ziehe noch immer die Harmonie vor.«
    »Nein, ich meinte – woran du gerade arbeitest?«
    Sie

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