Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
So fanden sie einen ganz eigenen Sound – nicht zuletzt, weil Jakob Aasen selbst das Instrument wechselte, zu Piano und Orgel. Sie hatten einen Klang und eine Atmosphäre, an die hier auf dem Berg keiner herankam, bis Saft auftauchte, fast zehn Jahre später.«
    »Die anderen?«
    Er blätterte im Archivmaterial, um ihre Namen zu finden.
    »Arild Hjellestad und Harry Kløve. Es ist typisch, daß ich mich nicht mal an ihre Namen erinnere. Habile Backgroundmusiker, solide Stützen für die beiden anderen, aber sie hätten in jeder beliebigen Band spielen können, und man hätte sie austauschen können, ohne daß jemand den Unterschied bemerkt hätte. – Hier hast du sie.« Er reichte mir einen alten, vergilbten Zeitungsausschnitt.
    Ich faltete ihn auseinander und studierte das körnige Foto. Die Überschrift lautete: THE HARPERS IN DER ESPELANDSHALLE. Unter dem Foto standen die Namen der Vier, allerdings Aasen mit ›Å‹ und Hjellestad mit ›Gj‹. Das Raster hatte ihre Züge fast bis zur Unkenntlichkeit retouchiert, aber Johnny Solheim im Vordergrund war auf jeden Fall ganz er selbst, etwas schmaler im Gesicht und mit etwas vollerem Haar, während einer energischen Kraftdemonstration und mit dem Mikrophon so dicht am Mund, daß es aussah, als würde er es essen. Hinter ihm erahnte ich Jakob an der Orgel, das Gesicht zum Publikum gewandt, hellwach und beobachtend, so wie es immer seine Art gewesen war, zu verfolgen, wie die Melodien auf sie wirkten. Links im Bild stand Harry Kløve wie angewachsen mit seiner Baßgitarre, und wie ein Teil des Schlagzeugs ragte Arild Hjellestads Kopf aus dessen Mitte hervor, während die Hände mit den Schlägern vor dem schwarzen Hintergrund etwas machten, das fast wie ein Kreuz aussah.
    »1962«, sagte Arild Sletten.
    Ich saß da mit dem Ausschnitt in der Hand. »Hast du eine Ahnung, warum sie 1975 plötzlich auseinandergegangen sind?«
    »Nein, außer, daß sie schon lange Ermüdungsanzeichen gezeigt hatten. Die letzten Jahre, von 1973 bis ’75, traten sie seltener auf. Sie legten die norwegischen Texte wieder weg und holten ihre alten Erfolge wieder raus – der Himmel weiß, ob sie sich nicht auch wieder The Harpers nannten –, jedenfalls wenn sie bei Nostalgiekonzerten auftraten.«
    »Aber sie sind nie wieder hervorgeholt und abgestaubt worden, oder?«
    »Nein. Eigentlich merkwürdig. Ansonsten versucht man ja, in alles, was in der Zeit mal ’ne Gitarre in der Hand hatte, wieder Leben zu pusten.«
    »Das hat selbstverständlich seinen natürlichen Grund.«
    Er sah mich fragend an. »Ja? Und der wäre?«
    »Ja, du weißt doch wohl, daß sie jetzt tot sind, die meisten von ihnen?«
    »Tot? Wer? Jakob Aasen jedenfalls nicht.«
    »Nein, aber er ist auch der einzige. – Harry Kløve starb letztes Jahr, Arild Hjellestad Anfang dieses Jahres, im Januar, und Johnny Solheim schließlich vorgestern.«
    »Das – hab’ ich nicht gewußt.«
    »Nein? Das überrascht mich. Ich meine …« Ich nickte zu seinem umfassenden Material.
    »Ach das … Das ist aus rein fachlichem Interesse, Veum. – Wenn sie aufhören zu spielen, verschwinden sie auch aus der Kartei. Wenn ich verfolgen sollte, wo sie alle abbleiben, nachdem sie auseinandergegangen sind, dann würde ich dem Einwohnermeldeamt ganz schön Konkurrenz machen – ja, sie könnten mich um Hilfe bitten. – Nein, so umfassend ist mein Informationsapparat nicht. Hast du erfahren, was du wolltest?«
    »Im Grunde ja. Du hast nichts hinzuzufügen? Etwas eher – Inoffizielles? Was von der Gerüchtebörse?«
    Er sah mich nachdenklich an. Langsam sagte er: »Etwas … über … die Harpers … Da klingelt irgendwas, ganz weit hinten … Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber hab’ ich irgendwann mal was gehört, daß was zwischen Jakob Aasen und Johnny Solheims Alten war?«
    »Welcher – Alten? Der, die er jetzt hatte?«
    »Nein, nein – viel früher. Johnny Solheim war ja schon mal verheiratet, damals …« Er nickte zu dem Zeitungsausschnitt, den ich in der Hand hatte. »Jedenfalls 1962. Ich bilde mir ein, mal gehört zu haben, daß er und Jakob Aasen demselben Mädchen den Hof gemacht haben, und daß Jakob den kürzeren gezogen hätte.«
    »Anita?«
    »Hieß sie Anita? Das ist gut möglich.«
    Anita? Doch, das war möglich – eine kurze Zeit. Aber ich hatte sie nur als einen Begriff in Erinnerung: Johnnys Mädchen. Und niemand legte Hand an Johnnys Mädchen, ohne dafür zu büßen. Niemand rührte Anita an, ohne …
    »Sonst

Weitere Kostenlose Bücher