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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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hatte Streifen von hellerem Blond, die da früher auch nicht gewesen waren, und die jetzt ohne Zweifel als Camouflage dienten. Und die Augen waren doch nicht ganz dieselben. Sie wußten mehr als damals. Sie hatten mehr gesehen, Gutes wie Böses.
    Aber es war Rebecca. Und ihr Körper war noch genauso schlank und jungmädchenhaft, wie er immer gewesen war. Mit Schleife im Haar, Trägerrock und Hemdbluse mit rundem Kragen hätte sie sich noch immer zu mir setzen können, auf der Empore im Bethaus, wo ihr Vater predigte. Und in abgewetzten Hosen, aus englischem Leder genäht, mit Cowboyhemd und grauer Windjacke hätte ich noch immer neben ihr hocken können; und wir hätten noch immer die Stimmen aus der Gemeinde ihres Vaters hören können: Die Versprechen bleiben bestehen!
    Hinter ihr hatte sich Helga Bøe diskret zurückgezogen. Rebecca ergriff fester meine Hände, und ich sah hinunter. Ihre Hände waren noch genauso schmal und weiß wie damals, aber bedeckt von einem fast unsichtbaren Spinnengewebe aus etwas, das einmal Falten auf alter Haut sein würden.
    »Was tust du hier, Varg? Ich habe dich fast nicht erkannt.«
    »Ich habe dich erkannt, sofort.«
    Sie lächelte wehmütig. »Warum – nach so vielen Jahren?«
    Ich antwortete nicht.
    »Wie hast du herausgefunden, wo ich bin?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Dann sagte ich schleppend: »Eigentlich komme ich – von Jakob.«
    Da war der Augenblick vorüber. Sie ließ meine Hände los, als seien sie giftig, und trat zwei entschiedene Schritte zurück, weg von mir. »Ich hätte es wissen müssen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Er will nur wissen, daß es dir gutgeht, Rebecca. Er wollte sich nur versichern, daß du …«
    Sie sagte kühl: »Ist schon gut. Dann bring ihm die Botschaft. Rebecca geht es gut. Es ist ihr noch nie besser gegangen. Seit vielen, vielen Jahren nicht.«
    »Aber – vermißt du die Kinder denn nicht?«
    Sie sah an mir vorbei. »Vielleicht haben sie es besser bei ihm. Vielleicht eignet er sich besser dafür, sich um die Kinder zu kümmern, als ich.«
    Ich betrachtete sie, außerstande, den Blick von ihr zu wenden. »Das glaube ich nicht, Rebecca.« Ich sah mich um. »Wollen wir uns nicht setzen? Laß uns ein bißchen reden, nach all den Jahren.«
    Ihr Gesicht wurde weicher, und sie schickte mir ein kurzes Lächeln. »Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn …«
    Ich wartete. »Wenn was?«
    »Nein«, sagte sie mit einer Leichtheit, die ich ihr nicht abnahm. »Es war nichts.« Dann ging sie zu einem der Stühle und setzte sich, ohne den Mantel auszuziehen.
    Ich setzte mich wieder dorthin, wo ich vorher gesessen hatte.
    Sie saß da, die Arme auf der Lehne, mit einem Gesichtsausdruck, als sei sie beim Zahnarzt. »Und? Du und Jakob, ihr habt euch also wiedergetroffen.«
    »Wir trafen uns neulich bei Jan Petters Beerdigung«, sagte ich schnell.
    Sie nickte. »Ja, ich hab’ es in der Zeitung gelesen.«
    »Und jetzt – jetzt wollte er wissen … daß es dir gut geht.«
    »Das sagtest du schon. Aber ich weiß nicht recht, ob ich das glaube. Ich habe mit ihm und auch mit den Kindern gesprochen, am Telefon, und er weiß, daß es mir gut geht. Es ist nur, daß er nicht aufhören kann zu hoffen, daß ich zurückkomme. Aber dieses Mal – das kannst du ihm sagen, Varg –, dieses Mal komme ich nicht zurück. Diesmal ist es endgültig.«
    »Dieses Mal …«
    Sie sah mich schräg an. »Ja, aber das hat er dir doch wohl erzählt?« Sie beugte sich eine Idee nach vorn. »Ich bin ein ziemlich unartiges Mädchen geworden, seit wir uns zuletzt gesehen haben, Varg.«
    »So?«
    »Ja.«
    Mein Blick wanderte zu den Frauenzeitschriften auf dem Tisch zwischen uns. Dann sagte ich vorsichtig: »Jakob erwähnte was von Johnny Solheim?«
    Es funkelte schwarz in ihren Augen, und ihre Stimme wurde wieder um einige Grade kälter »Ach ja?«
    »Du weißt, was mit ihm passiert ist?«
    »Mit … Johnny? Nein.«
    »Hast du heute noch nicht in die Zeitung gesehen?«
    »Nein.«
    »Er ist tot. Johnny. Er wurde ermordet, in der Nacht zum Sonntag.«
    »Er-ermordet? Wie?«
    »Auf der Straße niedergestochen.«
    Sie schüttelte den Kopf, wie um eine unerwünschte Vorstellung abzuschütteln. »Niedergestochen … Ich … Ich habe Johnny seit – seit 1982 nicht mehr gesehen.«
    Ich wartete, in der Hoffnung, sie würde noch mehr sagen. Aber sie sagte nichts. Ihr Blick war weit, weit weg.
    »1982«, sagte ich. »Da war er schon wieder verheiratet, oder nicht? Mit – Bente?«
    Sie

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