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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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überlegte. »Was dich vielleicht am meisten interessiert, ist ein abstinentes Kollektiv für ehemalige Rauschgiftsüchtige, oben auf der Lindåshalbinsel. Ein paar Idealisten haben da ein schönes Stück Arbeit geleistet. Ich werd’ in ein paar Tagen rauffahren und eine größere Reportage machen.« Sie war plötzlich ernst geworden.
    »Klingt toll.« Ich stand auf. »Tut mir leid, Laila, aber ich bin schon bei Sletten angemeldet, also … Ich schau’ hinterher noch mal wieder rein, okay?«
    »Wenn ich dann da bin.« Sie sah einen Moment lang etwas verloren aus. Dann holte sie ihr großes Lächeln wieder hervor. »Aber es war jedenfalls schön, dich zu sehen, Varg. – Komm bald mal wieder …« Sie gab mir noch einen Kuß, bevor ich mich artig verabschiedete und weiter nach hinten durch ging.
    Es war jetzt still geworden in dem großen Zeitungsbüro. Die Druckerei war woanders hingezogen, die Journalisten schrieben auf leisen Tastaturen vor senkrechten Computerschirmen, die Manuskripte gingen auf Diskette weiter in den Kreislauf, und Tipp-Ex war ein Relikt aus der Vergangenheit.
    Ich fand Arild Sletten in seinem Plattenstudio, unter gigantischen Kopfhörern, einen laufenden CD-Player auf dem Schreibtisch, die Beine über einen Stuhlrücken gelegt, einen Notizblock in der Hand und einen nachdenklichen Bleistift zwischen den Vorderzähnen.
    Arild Sletten sah aus wie ein urbaner Cowboy, aber schließlich kam er ja auch aus dem Country- und Western-Distrikt Sogn og Fjordane, wo die allermeisten Orte aussehen, als lägen sie in den Rocky Mountains, würden von der McDonalds-Kette gesponsort und nähmen keine Bezahlung als American Express Cards an.
    Er trug Jeans, ein meliertes Hemd mit einem Texas-Schmuck um den Hals, Jacke und Hose in stonewashed blue, und an den Füßen hatte er Cowboystiefel in braunem, gemustertem Leder.
    Das Haar war voll und fettig, nach Elvis-Manier zurückgekämmt und seine Koteletten waren so groß wie Scheuklappen. Das Gesicht war sonnenverbrannt, als sei er gerade von einem kürzeren Aufenthalt in Las Vegas zurück, oder aber er verbrachte den größten Teil seiner Freizeit im Solarium. Seine Art sich zu bewegen, deutete darauf hin, daß er sich ansonsten in einem Fitneßstudio aufhielt, mit Überstunden an den schwersten Gewichten. Er ging wie ein Ochse, mit steifen Knien und o-beinig wie ein Kaktus.
    Als ich hereinkam, nahm er die Kopfhörer ab, schaltete den CD-Player aus, schwang die Beine vom Stuhlrücken herunter und grinste schief. »Long time no see, Veum. – Willst du in der Plattenbranche Karriere machen? Dann bist du hier richtig. Nimm Platz, bevor es jemand anders tut.«
    Ich schob eine halbe Tonne britischer Musikzeitschriften zur Seite und setzte mich auf das freie Stück Stuhl. Ich musterte Arild Sletten. Wie die meisten anderen war auch er nicht mehr so jung, wie er auf den ersten Blick wirken mochte. Er hatte mit demselben Themenbereich gearbeitet, seit er zwanzig war, und wenn ich mich nicht irrte, dann war auch das bald ein Vierteljahrhundert her.
    »Ich bin zu dir gekommen, weil du der Rock-Journalist in der Stadt bist, der den größten Überblick hat. Ich suche nach Informationen über eine Gruppe, die sich Harpers nannte, später Die Harfenjungs, und die aktiv war von …«
    »Du brauchst mir nicht zu erzählen, wann die Harpers aktiv waren, Veum«, unterbrach er mich. »Vom Ende der 50er Jahre bis … 1975, würde ich tippen. – Was meinst du mit – Informationen?«
    »Tja, vielleicht eher eine Beschreibung von ihnen – ihrer Karriere, wie sie eigentlich waren, warum sie auseinandergingen – ja, was du so hast.«
    Er nickte. »I’m your man«, sagte er und beugte sich vor, sah in einen Karteikartenkasten, suchte zwei Karten heraus, öffnete eine Schublade und blätterte durch ein System, über das niemand anders als er selbst eine Übersicht haben konnte, und fischte eine Akte heraus, die aussah, als enthielte sie eine reiche Auswahl an Zeitungsartikeln, Interviews, Kopien von Plattencovern und dergleichen. »There we are!« sagte er und sah mich mit dem Triumph des Zauberers in den Augen an.
    Ich blickte abwartend zurück. »Also … Hast du was zu erzählen?«
    »Du willst also einen ganzen Vortrag?«
    Ich nickte.
    »Well well, well, man …« Dann begann er. Zwischendurch blätterte er in seinem Archivmaterial, als Gedächtnisstütze, aber das allermeiste wußte er aus dem Kopf. Wenn er genausoviel über all die anderen Bands aus der Umgebung wußte (und

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