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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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lehnte sich über den Schreibtisch vor, mit einem diabolischen, aber trotz allem nicht ganz unfreundlichen Ausdruck in den Augen.
    Vegard Vadheim hatte etwas Ewiges und Unveränderliches an sich. Er war der geborene Marathonläufer, der unverdrossen weiterlief, in ganz gleichmäßigem Tempo, nach einem Schema, das er im Detail im voraus festgelegt hatte, lange bevor der Lauf begann. Am Ziel würde er uns alle hinter sich gelassen haben.
    Ich murmelte: »Ich hab’ da was vergessen – zu erwähnen. Als ich das letzte Mal hier war.«
    »Was du nicht sagst? Etwas vergessen – zu erwähnen. – Und was war das?«
    »Ich weiß nicht, ob du dir vielleicht darüber im klaren bist«, begann ich mit einem winzigen taktischen Umweg. »Aber von den Vieren, die seinerzeit die Rockband The Harpers ausmachten, ist jetzt nur noch einer übrig. Jakob Aasen. Die drei anderen sind tot, und keiner von ihnen starb, was man einen – natürlichen Tod nennen kann.«
    Er legte die Arme über Kreuz. »Ach nein? Dann laß mal hören, was du über sie zu erzählen hast.«
    »Weißt du … Sie waren so was wie Jugendfreunde von mir. Na ja, nicht richtig, aber Jakob Aasen war einer. Und Johnny Solheim wohnte in unserer Straße. Aber die beiden anderen – sie waren eine Klasse unter uns und wohnten in Verftet, aber ich wußte schon, wer sie waren. Wegen Jakob habe ich die Harpers ziemlich eng verfolgt, ein paar Jahre lang.«
    Er lehnt sich wieder vor, die Unterarme auf der Tischplatte. »Interessant, Veum. Das kann sehr nützlich für mich sein.«
    »Wie Johnny umgekommen ist, weißt du ja selbst.«
    »Ja, Veum. Das weiß ich.«
    Die Ironie prallte an mir ab wie Abstiegsgerede an einem Brann-Fan. »Aber hör zu. Die beiden anderen. Der erste, Harry Kløve, der Baßgitarrist, kam um, als er bei Rot über einen Fußgängerübergang ging, letztes Jahr im Herbst irgendwann.«
    Er legte den Kopf leicht schief und nickte. »Aha. – Ein Verkehrsunfall mit anderen Worten?«
    »Vielleicht – vielleicht auch nicht. Wenn man alles in einem Zusammenhang sieht. Ich meine – nicht alles ist ein Verkehrsunfall, was danach aussieht. Wenn du an einem Fußgängerübergang stehst und auf Grün wartest und um dich herum dichtgedrängt Leute stehen … Dann kommt ein Bus, und genau, als der Bus den Fußgängerübergang erreicht, bekommst du einen kräftigen Stoß in den Rücken und gehst unfreiwillig ein paar Schritte nach vorn. – Das ist nicht unmöglich, oder?«
    Er sah mich ernst an. »Nein, nein, Veum. Nichts ist unmöglich. Etwas phantasievoll vielleicht, aber – okay.«
    »Und dann ihr Drummer. Arild Hjellestad. Er hat sich totgesoffen, hieß es, im Januar dieses Jahres. Und zwar, indem er sich völlig zugesoffen hat und dann draußen eingeschlafen ist, im Schnee, und erfroren. – So was kann man auch arrangieren, stimmt’s?«
    »Nnjaa«, sagte er langsam.
    »Wir wissen nichts darüber, mit wem er getrunken hat, zum Beispiel. In den Kreisen trinkt man selten allein.«
    »In welchen Kreisen?«
    »Unter den Alkis. Es ging mit Arild Hjellestad ziemlich steil bergab, nach 1975.«
    »1975?«
    »Das war das Jahr, in dem sie sich trennten – die Gruppe auflösten. Die Harpers.«
    Er notierte. »Aha. – Du meinst also mit anderen Worten, daß es sich hier um nicht weniger als drei – kriminelle Handlungen handeln kann. Wenn du recht hast, sogar drei Morde. Der Fall Hjellestad ist dann allerdings der Zweifelhafteste – es könnte kaum mehr als Unachtsamkeit gewesen sein … Nichtsdestotrotz. Warum nicht.« Er breitete die Arme vor mir aus, nach italienischer Art, mit einer fragenden Miene. »Aber warum, Veum? Und wie sollen wir es beweisen? – Du weißt genausogut wie ich, daß die beste Art, einen Mord zu begehen, ist, es wie einen ganz normalen Unfall aussehen zu lassen. Die Statistiker meinen, daß eine ganze Reihe von Morden auf diese Weise von uns völlig übersehen wird, jedes Jahr. – Das ist die Definition für das perfekte Verbrechen, Veum! Der ganz normale Unfall …«
    Ich nickte zweimal, erst bestätigend, dann zu all der Cellulose, die seinen Schreibtisch bedeckte. »Du hast also nichts über die Todesfälle irgendwo da? Keiner davon wurde jemals untersucht als – verdächtig?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin also froh, daß du gekommen bist, und mir davon erzählt hast, Veum. Das kann uns viel Extraarbeit ersparen. Es bedeutet in jedem Fall, daß ich ein sehr gründliches Gespräch führen muß mit deinem alten Jugendfreund,

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