Gefallene Engel
achselzuckend.
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Oh.« Ich gestikulierte unbestimmt und kam mir auf einmal recht unbeholfen vor. »Sie haben dieses Ding schon einmal geöffnet. Sie schaffen es auch ein zweites Mal. Nur eine Frage der Zeit.«
»Von der wir nicht genug haben.«
»Sagen Sie…« – ich suchte mit Envoy-Höchstgeschwindigkeit nach einer Möglichkeit, den zunehmend deprimierten Tonfall aus ihrer Stimme zu vertreiben –, »wenn das hier wirklich ein Meisterwerk marsianischer Technologie ist, wie kommt es dann, dass Ihr Team es überhaupt knacken konnte? Ich meine…?« Ich hob Hilfe suchend die Hände.
Sie schenkte mir ein erschöpftes Lächeln, und plötzlich fragte ich mich, wie schwer ihr die Kontamination durch die Strahlung und die chemischen Gegenmittel zusetzte.
»Sie haben es immer noch nicht verstanden, nicht wahr, Kovacs? Wir haben es hier nicht mit Menschen zu tun. Sie haben nicht so gedacht, wie wir denken. Wycinski bezeichnete es als offenen demokratischen Technikzugang. Es ist wie mit den Sturmschutzbunkern. Jeder kann sich Zugang dazu verschaffen – zumindest jeder Marsianer – weil… weil es nicht sinnvoll wäre, eine Technik zu konstruieren, mit deren Benutzung ein Teil der eigenen Spezies Schwierigkeiten haben könnte.«
»Sie haben Recht. Das ist nicht typisch menschlich.«
»Das ist einer der maßgeblichen Gründe, warum Wycinski Probleme mit der Gilde bekommen hat. Er hat einen Aufsatz über Sturmschutzbunker geschrieben. Die zugrunde liegende Wissenschaft ist tatsächlich äußerst kompliziert, aber sie wurden so gebaut, dass es keine Rolle spielt. Die Kontrollsysteme wurden so stark vereinfacht, dass sogar wir sie bedienen konnten. Er deutete dies als klaren Hinweis auf eine einheitliche Kultur innerhalb der gesamten Spezies. Daraus schlussfolgerte er, dass die Vorstellung eines marsianischen Imperiums, das in einem Kolonialkrieg unterging, völliger Blödsinn sein musste.«
»Er wusste einfach nicht, wann er die Klappe halten sollte, wie?«
»So könnte man es ausdrücken.«
»Und wie lautete seine Theorie? Ein Krieg gegen eine andere Spezies? Jemanden, mit dem wir bisher noch nicht zu tun hatten?«
Wardani hob die Schultern. »Entweder das, oder sie haben sich einfach nur aus diesem Teil der Galaxis zurückgezogen. Er hat sich nie besonders gründlich mit diesen Möglichkeiten auseinander gesetzt. Wycinski war ein Bilderstürmer. Er war mehr daran interessiert, die schwachsinnigen Standpunkte der Gilde zu bekämpfen, als eigene Theorien zu konstruieren.«
»Das ist erstaunlich dumm für jemanden, der so intelligent ist.«
»Oder erstaunlich mutig.«
»So könnte man es auch ausdrücken.«
Wardani schüttelte den Kopf. »Wie auch immer. Der Punkt ist, sämtliche Technik, die wir entdeckt und verstanden haben, können wir bedienen.« Sie deutete auf die Instrumente, die vor dem Tor aufgebaut waren. »Wir müssen das Licht aus einer marsianischen Kehldrüse synthetisch erzeugen, genauso wie das Klangspektrum, in dem sie mutmaßlich kommunizierten, aber wenn wir das verstanden haben, können wir damit umgehen. Sie haben gefragt, wie wir es beim letzten Mal knacken konnten. Weil es dazu konstruiert wurde. Jeder Marsianer, der durch dieses Tor gehen musste, konnte es öffnen. Und das bedeutet, dass wir es mit geeigneter Ausrüstung und genügend Zeit ebenfalls schaffen werden.«
Weitere Anzeichen für einen Kampf flackerten zwischen ihren Worten auf. Sie bemerkte es ebenfalls. Ich nickte langsam, dann glitt ich von der Kiste.
»Sie gehen?«
»Ich muss mit Ameli reden. Brauchen Sie irgendetwas?«
Sie warf mir einen seltsamen Blick zu. »Nein, sonst nichts, danke.« Sie richtete sich ein wenig in ihrem Sessel auf. »Ich muss hier noch ein paar Sequenzen durchspielen, dann komme ich zum Essen rüber.«
»Gut. Wir sehen uns dann. Ach so…« Auf dem Weg nach draußen hielt ich inne. »Was soll ich Sutjiadi sagen? Ich muss ihm irgendetwas sagen.«
»Sagen Sie ihm, dass ich das Tor innerhalb der nächsten zwei Tage geöffnet habe.«
»Wirklich?«
Sie lächelte. »Nein, wahrscheinlich nicht. Aber sagen Sie es ihm trotzdem.«
Hand war beschäftigt.
Der Boden seines Quartiers war mit Sand bestreut, in den ein komplexes Muster gezeichnet war, und aromatisierter Rauch stieg von schwarzen Kerzen auf, die in den vier Ecken des Raumes standen. Der Mandrake-Mitarbeiter saß im Schneidersitz und in einer Art Trance am einen Ende der Sandspuren. In den Händen hielt er
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