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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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an die Reling trat. »Kein Scherz, wenn man von der H-Welt stammt, nicht wahr?«
    »Das ist es nicht.«
    »Nein?«
    »Nein. Quell war eine verdammte Irre. Wahrscheinlich hat sie im Alleingang mehr Tote hinterlassen als das gesamte Marine Corps des Protektorats in einem schlimmen Jahr.«
    »Beeindruckend.«
    Ich sah sie an und musste unwillkürlich lächeln. Dann schüttelte ich den Kopf. »Ach, Cruickshank, Cruickshank.«
    »Was?«
    »Sie werden sich eines Tages an dieses Gespräch erinnern, Cruickshank. Eines Tages, etwa hundertfünfzig Jahre in der Zukunft, wenn Sie auf meiner Seite des Interfaces stehen.«
    »Sicher, alter Mann.«
    Wieder schüttelte ich den Kopf, aber mein Grinsen schien sich nicht abschütteln zu lassen. »Tun Sie, was Sie wollen.«
    »Ja, klar. Das mache ich, seit ich elf geworden bin.«
    »Du meine Güte, das ist ja fast eine ganze Dekade!«
    »Ich bin zweiundzwanzig, Kovacs.« Sie lächelte, als sie es sagte, aber nur für sich. Sie blickte auf das mit Sternenlicht gesprenkelte Schwarz des Wassers unter uns. Dann war eine Schärfe in ihrer Stimme, die nicht zum Lächeln passte. »Seit fünf Jahren dabei, davon drei in der taktischen Reserve. Als Marine eingezogen. Ich war die neuntbeste meiner Klasse. Von über achtzig Einberufenen. In Kampffähigkeiten war ich Siebtbeste. Mit neunzehn Corporal, mit einundzwanzig Sergeant.«
    »Mit zweiundzwanzig tot.« Es klang härter, als ich beabsichtigt hatte.
    Cruickshank atmete langsam ein und aus. »Mann, Sie sind vielleicht in einer Scheißstimmung! Ja, mit zweiundzwanzig tot. Und jetzt bin ich wieder im Spiel, genauso wie alle anderen hier. Ich bin ein großes Mädchen, Kovacs, wie wär’s also, wenn Sie mal für eine Weile mit dem Großer-Bruder-Kleine-Schwester- Mist aufhören würden!«
    Ich hob eine Augenbraue, aber mehr wegen der plötzlichen Erkenntnis, dass sie Recht hatte.
    »Ganz, wie Sie meinen. Großes Mädchen.«
    »Ja, ich habe Ihren Blick gesehen.« Sie zog kräftig an ihrer Zigarre und ließ den Rauch zum Strand treiben. »Was sagen Sie, alter Mann? Kriegen wir es noch auf die Reihe, bevor der Fallout uns erledigt? Nutzen wir die Gelegenheit?«
    Erinnerungen an einen anderen Strand strömten durch meinen Kopf, Palmen mit Dinosaurierhälsen, die sich über weißen Sand und Tanya Wardani beugten, die auf meinen Lenden ritt.
    »Ich weiß nicht, Cruickshank. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es der richtige Ort und die richtige Zeit ist.«
    »Das Tor hat Ihnen einen Schrecken eingejagt, was?«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    Sie tat es mit einer lässigen Handbewegung ab. »Wie auch immer. Glauben Sie, dass Wardani das Ding öffnen kann?«
    »Sie hat es schon einmal geschafft.«
    »Ja, aber sie sieht ziemlich fertig aus.«
    »Ich schätze, das hat sie der Internierung zu verdanken, Cruickshank. Sie sollten das auch mal probieren.«
    »Lassen Sie das, Kovacs.« Die einstudierte Langeweile in ihrer Stimme löste in mir einen Aufwind der Wut aus. »Wir arbeiten nicht in den Lagern. Das ist Sache der Regierung. Reine Lokalpolitik.«
    Ich ließ mich vom Aufwind tragen. »Cruickshank, Sie haben überhaupt keine Ahnung.«
    Sie blinzelte, geriet für einen Moment aus dem Gleichgewicht, doch dann hatte sie sich wieder gefangen. Kleine Böen des Schmerzes strahlten von ihrer schweren Kühle aus.
    »Ähm… nun, ich weiß, was man über Carreras Wedge sagt.
    Ich habe von rituellen Hinrichtungen von Gefangenen gehört. Ziemlich übel. Also sollten Sie vielleicht dafür sorgen, dass Sie gut angeschnallt sind, bevor sie Ihr Gewicht mit mir in die Waagschale werfen.«
    Sie drehte sich wieder um und blickte aufs Wasser. Ich betrachtete eine Weile ihr Profil und suchte nach den Gründen, warum ich die Beherrschung verlor, doch sie gefielen mir gar nicht. Dann lehnte ich mich neben ihr über die Reling.
    »Tut mir Leid.«
    »Egal.« Aber sie entfernte sich ein winziges Stück an der Reling.
    »Nein, wirklich. Es tut mir Leid. Diese Gegend bringt mich um.«
    Ein unbeabsichtigtes Lächeln spielte um ihre Lippen.
    »Ich meine es ernst. Ich wurde schon mehrfach getötet, häufiger, als Sie sich vorstellen können.« Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nur so… dass es noch nie so lange gedauert hat.«
    »Ja. Und Sie steigen der Archäologin hinterher, richtig?«
    »Ist es so offensichtlich?«
    »Jetzt ja.« Sie musterte ihre Zigarre, zwickte das brennende Ende ab und steckte den Rest in eine Brusttasche. »Ich nehme es Ihnen nicht übel. Sie ist

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