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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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haben. Sie haben ihn öffentlich aus Indigo City verbannt, davon habe ich noch in Limon gelesen, bevor die Blockade in Kraft trat.«
    »Gott«, sagte Deprez trocken. »Wissen Sie, das ist eine starke Konkurrenz für ein Ego von der Größe Kemps.«
    »Ich habe gehört, dass der ganze Quellismus so ist. Keine Religion erlaubt.«
    Ich schnaufte.
    »He!« Schneider schob sich in den Ring. »Na los, davon habe ich auch gehört. Was hat Quell noch gleich gesagt? Spuckt auf den tyrannischen Gott, wenn der Scheißkerl versucht, Rechenschaft von euch zu fordern. Etwas in der Art?«
    »Kemp ist kein Quellist«, sagte Ole Hansen, der sich gegen die Reling gelehnt auf das Deck gefläzt hatte. Mit einem nachdenklichen Blick reichte er mir die Pfeife. »Stimmt’s, Kovacs?«
    »Das ist fragwürdig. Er hat einiges entlehnt.« Ich nahm die Pfeife und zog daran, während ich in der anderen Hand die Zigarre balancierte. Der Pfeifenrauch schlängelte sich in meine Lungen und legte sich wie ein ausgebreitetes kühles Laken über die inneren Oberflächen. Er drang auf behutsamere Weise ein als die Zigarre, wenn auch nicht ganz so behutsam wie Guerlain Zwanzig. Die Wirkung setzte ein wie Flügel aus Eis, die sich in meinem Brustkorb entfalteten. Ich hustete und stach mit der Zigarre in Schneiders Richtung. »Und dieses Zitat ist Blödsinn. Von Neo-Quellisten fabrizierter Quatsch.«
    Das löste einen kleineren Sturm aus.
    »Ach, kommen Sie…«
    »Was?«
    »Es waren ihre Worte auf dem Totenbett, um Samedis willen.«
    »Schneider, sie ist nie gestorben.«
    »Das«, sagte Deprez ironisch, »ist eine klare Glaubensaussage.«
    Gelächter umschwappte mich. Ich zog noch einmal an der Pfeife, dann gab ich sie dem Assassinen.
    »Also gut, wir wissen nicht, ob oder wie sie gestorben ist. Sie ist einfach verschwunden. Aber ohne ein Totenbett kann man keine Worte auf dem Totenbett sprechen.«
    »Vielleicht war es ihre Abschiedsrede.«
    »Vielleicht war es einfach Blödsinn.« Ich stand unsicher auf. »Wenn ihr das Zitat haben wollt, gebe ich euch das Zitat!«
    »Jaaa!!!«
    »Also gut!!«
    Sie zogen sich zurück, um Platz für mich zu schaffen.
    Ich räusperte mich. »Ich kann mich nicht herausreden, sagte sie. So steht es in den Kampf-Tagebüchern, und es hat nichts mit irgendeinem blödsinnigen erfundenen Totenbett zu tun. Sie zog sich gerade aus Millsport zurück, unter dem Druck der Mikrobomber, und die Regierung von Harlans Welt verbreitete über sämtliche Frequenzen, dass Gott sie für die Toten auf beiden Seiten zur Rechenschaft ziehen würde. Sie sagte: Ich kann mich nicht herausreden, und schon gar nicht, wenn es um Gott geht. Wie alle Tyrannen ist er die Spucke nicht wert, die ihr für Verhandlungen vergeuden würdet. Unser Abkommen ist wesentlich einfacher – ich ziehe ihn nicht zur Rechenschaft, und er legt mir gegenüber dieselbe Rücksicht an den Tag. Das sind die genauen Worte, die sie gesagt hat.«
    Applaus, der wie aufgeschreckte Vögel über das Deck flatterte.
    Ich musterte die Gesichter, während er erstarb, und maß den Ironiegradienten. Für Hansen schien die Rede eine Bedeutung zu besitzen. Er saß mit gesenktem Blick da und nippte gedankenverloren an der Pfeife. Am anderen Ende der Skala feuerte Schneider den Applaus mit einem langen Pfiff an und beugte sich mit offensichtlichen sexuellen Absichten über Cruickshank. Die Limon-Highlanderin warf ihm einen Seitenblick zu und grinste. Luc Deprez, der ihnen gegenüber saß, zeigte eine ausdruckslose Miene.
    »Wir wollen noch ein Gedicht hören«, sagte er ruhig.
    »Ja!«, jubelte Schneider. »Ein Kriegsgedicht.«
    Aus dem Nichts versetzte mich etwas auf das Axialdeck des Hospitalschiffs. Loemanako, Kwok und Munharto, die sich versammelt hatten und ihre Wunden wie Orden zur Schau stellten. Ohne Vorwurf. Wolfswelpen angesichts des Gemetzels. Die sich an mich wandten, um ein Urteil abzugeben, damit ich sie zurück zu einem neuen Anfang führte.
    Womit konnte ich mich herausreden?
    »Ihre Lyrik habe ich nie auswendig gelernt«, log ich und ging an der Schiffsreling entlang zum Bug, wo ich mich über das Wasser beugte und die Luft einatmete, als wäre sie frisch. Am landseitigen Horizont war der Flammenschein der Bomben bereits schwächer geworden. Ich starrte eine Weile darauf, dann konzentrierte ich den Fokus abwechselnd auf das Feuer und die Glut am Ende der Zigarre in meiner Hand.
    »Ich schätze, dieses Quellistenzeug bedeutet Ihnen einiges.« Es war Cruickshank, die neben mir

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