Gefallene Engel
könnten hier sterben. Real sterben.«
»Nicht, wenn es sich um ein Konstrukt handelt.«
»Und was wäre, wenn wir wirklich verdammt wären, wie Sie sagten?«
»Das wäre für mich immer noch kein Grund, vor Ihnen die Beichte abzulegen.«
Deprez verzog das Gesicht. »Dann reden wir über etwas anderes. Vögeln Sie mit der Archäologin?«
»Sechzehn.«
»Was?«
»Sechzehn. Ich war sechzehn Jahre alt. Das entspricht etwa achtzehn Jahren Erdstandard. Harlans Welt braucht etwas länger für eine Umkreisung.«
»Trotzdem recht jung.«
Ich dachte nach. »Nein, es war an der Zeit. Ich war mit den Gangs unterwegs, seit ich vierzehn geworden war. Ich war schon ein paarmal nahe dran gewesen.«
»War es eine Aktion der ganzen Gang?«
»Es war eine Riesensauerei. Wir wollten einen Tetrameth-Dealer ausrauben, aber er war zäher, als wir erwartet hatten. Die anderen liefen weg, ich wurde festgehalten.« Ich betrachtete meine Hände. »Dann war ich zäher, als er erwartet hatte.«
»Haben Sie seinen Stack mitgenommen?«
»Nein. Ich habe mich nur möglichst schnell aus dem Staub gemacht. Ich habe gehört, dass er nach mir gesucht hat, als er resleevt wurde, aber da hatte ich mich schon rekrutieren lassen. Er hatte nicht genug Verbindungen, um sich Ärger mit dem Militär erlauben zu können.«
»Und beim Militär hat man Ihnen beigebracht, wie man real tötet.«
»Ich bin überzeugt, dass ich es irgendwann sowieso gelernt hätte. Was ist mit Ihnen? Haben Sie eine ähnlich verkorkste Vorgeschichte, was das betrifft?«
»O nein«, sagte er lässig. »Es liegt mir im Blut. Auf Latimer hat mein Familienname historische Verbindungen zum Militär.
Meine Mutter war Colonel bei den IP-Marines von Latimer. Ihr Vater war ein Commodore bei der Navy. Ich habe einen Bruder und eine Schwester, die beide beim Militär sind.« Er lächelte im Zwielicht, und seine klonneuen Zähne glänzten. »Man könnte sagen, wir wurden dazu gezüchtet.«
»Und wie passen verdeckte Agenten zu Ihrer militärischen Familientradition? Waren sie enttäuscht, weil sie es doch nicht zu einer führenden Position gebracht haben? Falls das keine zu persönliche Frage ist.«
Deprez zuckte die Achseln. »Ein Soldat ist ein Soldat. Es ist nicht so wichtig, wie man tötet. Zumindest hat meine Mutter das immer gesagt.«
»Und Ihr erster Toter?«
»Auf Latimer.« Die Erinnerung brachte ihn zum Lächeln. »Ich schätze, ich war nicht viel älter als Sie. Während des Soufriere-Aufstands gehörte ich zu einer Erkundungseinheit, die im Sumpfland unterwegs war. Er kam hinter einem Baum hervor – und Bumm!« Er schlug eine Faust in die Handfläche. »Ganz einfach. Ich hatte ihn erschossen, bevor es mir richtig bewusst geworden war. Der Schuss hat ihn zehn Meter zurückgeschleudert und in zwei Hälften zerrissen. Ich sah, was geschah, aber in diesem Moment verstand ich überhaupt nicht, was geschehen war. Ich verstand einfach nicht, dass ich diesen Mann erschossen hatte.«
»Haben Sie seinen Stack genommen?«
»Aber ja. Wir hatten die Anweisung dazu. Bergung aller Todesopfer zur späteren Befragung, keine Beweise zurücklassen.«
»Das muss ein großer Spaß gewesen sein.«
Deprez schüttelte den Kopf.
»Mir war schlecht«, gab er zu. »Speiübel. Die anderen in meiner Einheit lachten mich aus, aber der Sergeant half mir beim Herausschneiden. Und er machte mich sauber und sagte mir, dass ich mir deswegen nicht zu viele Gedanken machen sollte. Später kamen andere dazu, und ich… ich habe mich allmählich daran gewöhnt.«
»Und Sie scheinen besser geworden zu sein.«
Er erwiderte meinen Blick, in dem die Bestätigung dieser gemeinsamen Erfahrung funkelte.
»Nach der Soufriere-Kampagne wurde ich ausgezeichnet. Für verdeckte Einsätze empfohlen.«
»Hatten Sie jemals mit der Carrefour-Bruderschaft zu tun?«
»Carrefour?« Er runzelte die Stirn. »Sie waren in den Unruhen weiter südlich aktiv. Bissou und das Kap – kennen Sie die Gegend?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Bissou war schon immer ihre Heimatbasis, aber für wen sie kämpften, blieb ein Rätsel. Carrefour-Hougans schmuggelten Waffen zu den Rebellen am Kap – ich weiß es, ich habe selbst ein paar getötet –, aber einige arbeiteten auch für uns. Sie versorgten uns mit Geheiminformationen, Drogen, manchmal auch religiösen Diensten. Viele der hochrangigen Soldaten waren Gläubige, also war es gut für jeden Befehlshaber, vor dem Kampf den Segen eines Hougans zu erhalten. Hatten Sie mit
Weitere Kostenlose Bücher