Gefallene Engel
in Spiralen, genauso, wie es bei den Marsianern gewesen war. Der Inhibitor spannte sich an.
Nein, noch nicht.
Envoy-Beherrschung, die kalte und methodische Auftrennung menschlicher Reaktionen, wie ich sie brauchte. Ich hieß sie willkommen wie eine Geliebte an Wardanis Sonnenuntergangsstrand – ich glaube, ich grinste, als es losging.
Draußen auf der Plattform schrie Sutjiadi und leugnete flehend. Die Worte wurden ihm entrungen wie etwas, das mit einer Zange herausgezogen wurde.
Ich griff nach dem Verband um meinen Arm und schob ihn langsam zum Handgelenk hinunter. Stiche zuckten durch den Knochen, als die Wachstumsbiomarken berührt wurden.
Sutjiadi schrie, scharfes Glas, das über Sehnen und Knorpel in meinem Kopf strich. Der Inhibitor…
Kalt. Kalt.
Der Verband hing nun locker an meinem Handgelenk. Ich griff nach der ersten Biomarke.
Es mochte sein, dass mich jemand aus Lamonts Kabine beobachtete, aber ich bezweifelte es. Im Moment standen zu viele andere Dinge auf der Tagesordnung. Außerdem – wer würde Gefangene beobachten, die mit Inhibitoren an der Wirbelsäule ausgestattet waren? Welchen Sinn hätte es gehabt? Man konnte der Maschine vertrauen und sich etwas Interessanterem widmen.
Sutjiadi schrie.
Ich packte die Marke und übte gleichmäßigen Druck aus.
Du tust es gar nicht, redete ich mir ein. Du sitzt einfach nur hier und hörst zu, wie jemand stirbt. Genau dasselbe hast du in den vergangenen Jahren oft genug getan, sodass es dich gar nicht berührt. Nichts Besonderes. Die Envoy-Systeme täuschten jede Hormondrüse in meinem Körper und gipsten mich mit einer Schicht aus gelassener Distanziertheit zu. Auf einer Ebene, die tiefer als Gedanken lag, glaubte ich an das, was ich mir sagte. In meinem Genick bewegte sich der Inhibitor und beruhigte sich wieder.
Ein winziger Ruck, und das regenerative Biofilament kam heraus.
Zu kurz.
Sch…
Kalt.
Sutjiadi schrie.
Ich suchte mir eine andere Marke und bewegte sie vorsichtig hin und her. Unter der Hautoberfläche spürte ich, wie das Monofilament das Gewebe bis hinunter zum Knochen zerschnitt, und wusste, dass es ebenfalls zu kurz war.
Ich blickte auf und sah, dass Deprez mich betrachtete. Seine Lippen formulierten eine lautlose Frage. Ich bedachte ihn mit einem zerstreuten Lächeln und probierte eine andere Marke aus.
Sutjiadi schrie.
Die vierte Marke passte. Ich spürte, wie sie das Fleisch an meinem Ellbogen in einem großen Bogen zerschnitt. Das Endorphin-Pflaster, das ich mir zuvor verpasst hatte, dämpfte den Schmerz zu einer geringfügigen Unannehmlichkeit, aber trotzdem zog die Spannung wie Drähte an mir. Ich klammerte mich noch einmal an die Envoy-Lüge, dass zurzeit absolut nichts Interessantes passierte, und zog kräftiger.
Das Filament löste sich wie ein Tangstreifen aus feuchtem Sand und riss eine Furche in meinen Unterarm. Blut spritzte mir ins Gesicht.
Sutjiadi schrie. Er arbeitete sich die Skala der Verzweiflung und Fassungslosigkeit hinauf und hinunter, entsetzt über das, was die Maschine ihm antat und was er mit jeder einzelnen Faser seines Körpers spürte.
»Kovacs, was, zum Henker…?« Wardani verstummte, als ich ihr einen Blick zuwarf und mit einem Finger auf mein Genick zeigte. Ich wickelte das Filament vorsichtig um die linke Hand und verknotete es hinter der Marke. Ohne mir die Zeit zu geben, genauer darüber nachzudenken, spreizte ich die Hand und zog die Schlaufe fest.
Hier passiert gar nichts.
Das Monofilament schnitt in das Gewebe meiner Hand, als wäre es Wasser und berührte die Interface-Bioplatte. Vager Schmerz. Blut quoll in einer feinen Linie aus dem unsichtbaren Schnitt, dann floss es über die ganze Handfläche. Ich hörte, wie Wardani den Atem anhielt, dann schrie sie auf, als ihr Inhibitor zubiss.
Gar nichts, sagten meine Nerven zu meinem Wachhund. Hier passiert gar nichts.
Sutjiadi schrie.
Ich öffnete den Knoten im Filament und zog es auseinander, dann spannte ich die verletzte Handfläche. Die Lippen der Wunde öffneten sich klaffend. Ich drückte den Daumen in den Schlitz und…
GAR NICHTS passiert hier. Absolut nichts.
… zog, bis das Fleisch zerriss.
Es schmerzte, ob mit oder ohne das verdammte Endorphin, aber ich hatte, was ich wollte. Unter der Masse aus Muskeln und Fettgewebe tauchte die weiße Oberfläche der Interface-Platte auf, mit Blut beperlt und winzigen biotechnischen Schaltelementen geriffelt. Ich schob die Lippen der Wunde noch weiter auseinander, bis die gesamte
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