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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht verstand, was sie sagte. Martin hob in ungelenkem Gruß den Arm, dann waren beide draußen. Ich blickte ihnen nach, dann betrachtete ich die Hautpflaster in meiner geschlossenen Faust.
    »Ist das Ihre Lösung?«, fragte Wardani mit leiser, kalter Stimme. »Drogen nehmen, damit alles andere aus dem Fokus wandert?«
    »Haben Sie eine bessere Idee?«
    Sie wandte sich ab.
    »Dann steigen Sie von Ihrem verdammten Gebetsturm herunter und stecken Sie sich Ihre Selbstgerechtigkeit sonstwo hin.«
    »Wir könnten…«
    »Wir könnten was? Wir haben Inhibitoren im Nacken, uns bleiben nur noch ein paar Tage bis zum katastrophalen Zelltod, und ich habe höllische Schmerzen im Arm. Und dieser Raum wird mit Bild und Ton von der Kabine des politischen Offiziers überwacht, zu der Carrera zweifellos jederzeit Zugang hat.« Ich spürte ein leichtes Stechen von dem Ding in meinem Genick, und erkannte, dass sich meine Erschöpfung von meinem Zorn unterkriegen ließ. Ich unterdrückte ihn. »Ich habe jede Möglichkeit zum Kampf ausgenutzt, die sich mir geboten hat, Tanya. Den morgigen Tag werden wir damit verbringen, Sutjiadis Todeskampf zuzuhören. Es ist mir egal, wie Sie sich damit auseinander setzen wollen. Ich jedenfalls werde das Ganze verschlafen.«
    Es verschaffte mir eine brennende Genugtuung, ihr die Worte entgegenzuschleudern, als würde man Splitter aus einer Wunde im eigenen Fleisch ziehen. Doch irgendwo dahinter sah ich immer wieder den Lagerkommandanten, an seinen Stuhl gefesselt, Stromfluss aktiv, die Pupille seines menschlichen Auges am Rand des oberen Lids entlangtreibend.
    Wenn ich mich hinlege, werde ich vielleicht nie wieder aufstehen. Erneut hörte ich seine Worte, flüsternd wie von einem Sterbenden. Abo bleibe ich. In diesem Stuhl. Die Unbequemlichkeit hält mich wach. Zeitweise.
    Ich fragte mich, welche Art von Unbequemlichkeit mir in diesem Stadium des Spiels gut tun würde. An welche Art von Stuhl ich gefesselt werden sollte.
    Irgendwo muss es einen Weg geben, der von diesem verfluchten Strand wegführt.
    Und ich fragte mich, warum die Hand am Ende meines verletzten Arms nicht leer war.

 
39
     
     
    Kurz nachdem es hell geworden war, begann Sutjiadi zu schreien.
    In den ersten paar Sekunden war es empörte Wut, die in ihrer Menschlichkeit beinahe etwas Tröstliches hatte, aber sie hielt nicht lange an. In weniger als einer Minute war jedes menschliche Element weggeätzt, bis nur noch die blanken Knochen animalischer Todesqual übrig waren. In dieser Form drang es schneidend von der Schlachtplattform den Strand herauf, ein abgeschälter Schrei nach dem anderen, der die Luft wie etwas Solides erfüllte und jeden Zuhörer jagte. Wir hatten schon vor Sonnenaufgang darauf gewartet, aber es traf uns trotzdem wie eine Schockwelle. Ein sichtbares Zusammenzucken durchlief jeden von uns, während wir auf Betten kauerten, in denen niemand zu schlafen versucht hatte. Es kam zu uns allen und berührte uns mit widerwärtiger Intimität. Es legte sich mit klammen Händen auf mein Gesicht und mit festem Griff auf meinen Brustkorb. Es stoppte meine Atmung, es bewirkte, dass sich meine Nackenhärchen aufrichteten, und schickte ein kurzes Zucken durch ein Auge. Im Genick kostete der Inhibitor von meinem Nervensystem und rührte sich interessiert.
    Unterdrück es.
    Hinter dem Geschrei rumorte ein anderes Geräusch, das ich kannte. Das leise Grollen eines aufgeregten Publikums. Die Wedge-Soldaten, die Zeuge eines Aktes der Gerechtigkeit wurden.
    Ich saß im Schneidersitz auf dem Bett und öffnete die Fäuste. Die Hautpflaster fielen auf die Decke.
    Etwas flackerte.
    Ich sah das tote Gesicht des Marsianers. Es zeichnete sich so deutlich wie ein Netzhautdisplay in meinem Gesichtsfeld ab.
    dieser Stuhl…
    … weckt mich.
    …wirbelnde Flocken aus Schatten und Licht…
    … Klagelaute außerirdischer Trauer…
    Ich konnte spüren…
    … ein marsianisches Gesicht, mitten im Gewirbel des strahlenden Schmerzes, aber nicht tot…
    … große nichtmenschliche Augen, die meinen Blick erwiderten, mit etwas, das…
    Ich wich schaudernd davor zurück.
    Der menschliche Schrei hielt an, kratzte an Nervenbahnen entlang, grub sich ins Mark. Wardani legte sich die Hände über das Gesicht.
    Ich sollte mich nicht so schlecht fühlen, argumentiert ein distanzierter Teil von mir. Es ist nicht das erste Mal, dass ich…
    Nichtmenschliche Augen. Nichtmenschliche Schreie.
    Vongsavath weinte.
    Ich spürte es in mir aufsteigen. Es sammelte sich

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