Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
zwischen die Schultern, als würde sie frieren. »Ich bin Gildemeisterin. Ich hätte Arbeit bei den Ausgrabungen auf dem Hochland finden können, wenn ich es gewollt hätte. Aber ich entschied mich für Dangrek. Der Rest des Teams waren Kratzer, die man mir zugeteilt hatte. Sie glaubten mir meine Gründe nicht, aber sie waren alle jung und voller Enthusiasmus. Ich schätze, selbst eine Ausgrabung mit einer Exzentrikerin ist besser als gar keine Ausgrabung.«
    »Und was waren Ihre Gründe?«
    Es folgte eine längere Pause, in der ich mich stumm für diesen Ausrutscher verfluchte. Die Frage war ehrlich gemeint – der größte Teil meines Wissens über die Archäologengilde stammte aus populären Zusammenfassungen ihrer Geschichte und gelegentlichen Erfolge. Ich war noch nie zuvor einem Gildemeister begegnet, und was Schneider über die Ausgrabung erzählen konnte, war offenbar eine gefilterte Version dessen, was Wardani ihm auf dem Kopfkissen erzählt hatte, durch seinen Mangel an genauerem Wissen zurechtgestutzt. Ich wollte die ganze Geschichte hören. Aber wenn es etwas gab, das Tanya Wardani während ihrer Internierung im Überfluss gehabt hatte, dann waren es wahrscheinlich Verhöre. Der leichte Ton der Schärfe in meiner Stimme musste sie wie eine Marauderbombe getroffen haben.
    Ich überlegte mir, womit ich das Schweigen ausfüllen konnte, als sie es mir sagte, mit einer Stimme, die nur um ein Mikron vom Gleichgewicht abwich.
    »Sie wollen das Schiff? Mend…« Sie setzte noch einmal an. »Schneider hat Ihnen davon erzählt?«
    »Ja, aber er hat sich recht vage ausgedrückt. Wussten Sie, dass sie es dort finden würden?«
    »Nicht genau. Aber es ergab Sinn. Es musste früher oder später geschehen. Haben Sie jemals Wycinski gelesen?«
    »Habe von ihm gehört. Die Nabentheorie, nicht wahr?«
    Sie lächelte dünn. »Die Nabentheorie ist nicht von Wycinski, sie basiert nur auf seiner Arbeit. Was Wycinski damals sagte, neben vielem anderen, läuft darauf hinaus, dass alles, was wir bisher über die Marsianer in Erfahrung gebracht haben, darauf hinweist, dass ihre Gesellschaft wesentlich atomistischer als unsere war. Sie wissen schon – geflügelte Fleischfresser, die ursprünglich fliegende Räuber waren, fast keine kulturellen Anzeichen für Rudelverhalten.« Nun flossen ihre Worte; sie stieg aus dem Dialogmuster aus und schaltete unbewusst auf Dozentenmodus um. »Das deutet auf das Bedürfnis nach einem viel größeren Privatbereich als bei Menschen hin und auf einen allgemeinen Mangel an Geselligkeit. Man könnte sie sich etwa wie Raubvögel vorstellen. Aggressive Einzelgänger. Dass sie überhaupt Städte errichteten, beweist, dass sie es teilweise geschafft haben, ihr genetisches Erbe zu überwinden, vielleicht ähnlich wie es den Menschen gelungen ist, ihre xenophoben Tendenzen halbwegs zurückzudrängen, die wir als Rudeltiere entwickelt hatten. Wycinski weicht darin von den meisten Experten ab, dass er glaubt, diese Tendenz sei nur so weit unterdrückt worden, wie es für die Gruppenbildung notwendig war, und mit dem Fortschritt der Technisierung wieder umgekehrt worden. Können Sie mir noch folgen?«
    »Nur wenn Sie das Tempo nicht erhöhen.«
    In Wirklichkeit hatte ich überhaupt kein Problem, und die meisten Grundideen hatte ich bereits in der einen oder anderen Form gehört. Aber Wardani entspannte sich zusehends, während sie redete, und je länger sie weitermachte, desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihre Genesung stabilisierte. Bereits während der kurzen Zeitspanne, die sie gebraucht hatte, um in ihren Vortrag einzusteigen, war sie wesentlich lebhafter geworden; sie gestikulierte und ihr Gesicht hatte sich belebt. Stück für Stück fand Tanya Wardani zu ihrer alten Persönlichkeit zurück.
    »Sie erwähnten die Nabentheorie, die nur ein blödsinniger Abklatsch ist. Carter und Bogdanovich haben diese Idee aus Wycinskis Arbeit über marsianische Kartografie geklaut. Sehen Sie, eine der Gemeinsamkeiten aller marsianischen Karten ist die Tatsache, dass sie kein gemeinsames Zentrum haben. Ganz gleich, wo die Archäologen auf dem Mars fündig wurden, sie befanden sich immer im Zentrum der Karten, die sie entdeckten. Jede Siedlung setzte sich selbst in die Mitte der Karten, sie war immer der größte Klecks, ungeachtet ihrer tatsächlichen Größe oder offenkundigen Funktion. Wycinski sagte, dass dieser Umstand niemanden überraschen sollte, da es zu dem passte, was wir bereits über

Weitere Kostenlose Bücher