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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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letzten Befehl in der Warteschleife aus und startete die zwei wartenden Mikros in den leeren Himmel vor uns. Neben mir stieß Schneider einen Jubelschrei aus und riss das Shuttle herum. Das Kompensationsfeld für Hochgeschwindigkeitsmanöver setzte verspätet ein, und ich spürte die Wende wie eine Meereswelle durch meine Eingeweide schwappen. Ich fand noch die Zeit, zu hoffen, dass Tanya Wardanis letzte Mahlzeit schon eine Weile zurücklag.
    Wir wurden für einen Moment von den Gravfeldern des Shuttles in der Luft gehalten, dann nahm Schneider den Auftrieb weg, und wir stürzten im Steilkurs auf die Meeresoberfläche zu. Eine zweite Welle Raketen kam uns aus dem Wasser entgegen.
    »Lametta!!!«
    Wieder entluden die Lafetten krachend ihre Fracht. Ich nahm die drei verbliebenen Minen ins Visier, leerte die Magazine des Shuttles und hoffte mit angehaltenem Atem. Die Mikros starteten ungehindert. Im gleichen Augenblick warf Schneider die Gravfelder wieder an, und das kleine Gefährt schüttelte sich. Die Lamettabomben, die nun schneller fielen als das abgebremste Shuttle, explodierten ein kleines Stück unter uns. Mein virtuelles Gesichtsfeld wurde mit rotem Regen überflutet, als der Sturm der Störsender einsetzte, dann kamen die Explosionen der Wasser-Luft-Raketen, als sie sich in der Köderwolke selbst vernichteten. Meine Mikros, die ich durch das kleine Fenster vor dem Lamettaregen abgefeuert hatte, waren davongerast und steuerten die Minen an, die sich irgendwo unter uns befanden.
    Das Shuttle ging hinter den Lamettaresten und den Trümmern der irregeleiteten Raketen im Spiralflug runter. Kurz vor der Meeresoberfläche feuerte Schneider zwei weitere sorgfältig präparierte Lamettabomben ab. Sie detonierten unmittelbar bevor wir unter die Wellen tauchten.
    »Wir sind im Wasser«, sagte Schneider.
    Auf meinem Bildschirm verstärkte sich das Blassblau des Meeres, als wir mit der Nase voran tiefer sanken. Ich drehte mich herum, suchte nach den Minen, sah zu meiner Genugtuung aber nur mehrere Trümmerhaufen. Ich stieß den letzten Atemzug aus, den ich irgendwo im raketenübersäten Himmel genommen hatte, und ließ den Kopf gegen die Rückenlehne fallen.
    »Das«, sagte ich, ohne jemand Bestimmten anzusprechen, »war ziemlich heftig.«
    Wir berührten den Boden, blieben für einen kurzen Moment hängen und trieben dann wieder ganz leicht nach oben. Um uns herum fielen langsam die Trümmer der Lamettabomben auf den Meeresgrund. Ich sah mir die rosafarbenen Fragmente genau an und lächelte. Ich hatte die letzten zwei Bomben persönlich gefüllt. Die Arbeit hatte weniger als eine Stunde der vergangenen Nacht beansprucht, aber wir hatten drei Tage gebraucht, verlassene Kriegsschauplätze und ausgebombte Landeplätze zu erkunden, um die Trümmer einzusammeln, die einem explodierten Shuttle entsprachen.
    Ich zog die VR-Maske ab und rieb mir die Augen.
    »Wie weit ist es noch?«
    Schneider hantierte an seinen Instrumenten. »Etwa sechs Stunden, wenn wir uns einfach treiben lassen. Wenn ich die Strömung mit den Gravs unterstützte, könnten wir es in der Hälfte der Zeit schaffen.«
    »Ja, und dabei könnten wir auch unter Wasser angegriffen werden. Ich habe die letzten zwei Minuten nicht durchgestanden, weil ich gerne Schießübungen mache. Sie lassen die Felder abgeschaltet und nutzen die Zeit, um zu überlegen, wie wir unsere Spuren verwischen können.«
    Schneider bedachte mich mit einem aufrührerischen Blick.
    »Und was wollen Sie während dieser Zeit machen?«
    »Reparaturarbeiten«, sagte ich kurz angebunden und ging wieder nach hinten zu Tanya Wardani.

 
5
     
     
    Das Feuer warf springende Schatten und verwandelte ihr Gesicht in eine Tarnmaske aus Licht und Dunkelheit. Es war ein Gesicht, das vielleicht hübsch gewesen war, bevor das Lager sie verschlungen hatte, aber die Unbilden der politischen Internierung hatten daraus ein ausgezehrtes Dokument aus Knochen und eingefallener Haut gemacht. Die Augen lagen im Schatten, die Wangen waren hohl. Tief im Brunnen ihrer Blicke funkelte der Feuerschein auf starren Pupillen. Strähniges Haar fiel wie Stroh über ihre Stirn. Eine meiner Zigaretten hing schief und unangezündet zwischen ihren Lippen.
    »Wollen Sie nicht rauchen?«, fragte ich nach einer Weile.
    Es war, als würde ich ein Gespräch über eine schlechte Satellitenverbindung führen – erst nach zweisekündiger Verspätung verschob sich das Glitzern in den Augen, als sie sich auf mein Gesicht konzentrierte.

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