Gefangen im Palazzo der Leidenschaft
Sie meinen Bruder heute überhaupt schon gesehen?“
Sein Mund wurde schmal. „Leider nicht.“
Seine Verärgerung verunsicherte sie noch mehr. „Wo ist er denn dann?“
„Das würde ich auch gern wissen“, erwiderte Dmitri entschieden, und seine grünen Augen wirkten eisig. „Sind Sie sicher, dass Sie heute nichts von Felix gehört oder mit ihm gesprochen haben?“
„Natürlich bin ich das.“ Lily spürte, wie sie allmählich ungehalten wurde. „Ich muss doch wissen, ob ich mit meinem eigenen Bruder gesprochen habe.“
Er atmete tief durch. „Keine SMS? Gar nichts?“
„Nein …“ Sie stockte. „Allerdings hatte ich seit meiner Ankunft in Rom noch nicht die Möglichkeit, zu prüfen, ob er angerufen oder eine SMS geschrieben hat.“
Stirnrunzelnd stand sie auf, um in ihrer großen Schultertasche nach ihrem Handy zu suchen – keine leichte Aufgabe, weil die Tasche ihre Geldbörse, einige Bücher, ihr Make-up, einen Fettstift für die Lippen, einen Stift, Süßstoff und mehrere Döschen Pfefferminzbonbons enthielt. „Sagen Sie mir doch einfach, was hier überhaupt los ist.“ Endlich fand sie ihr Handy und nahm es heraus. „Vielleicht könnte ich …“ Abrupt hielt sie inne, als Dimitri plötzlich aufstand, zu ihr trat und es ihr aus der Hand nahm. „He!“, protestierte Lily empört und ließ ihre Tasche wieder auf den Boden fallen. „Was soll das?“
Ohne sich darum zu scheren, sah er aufs Display. „Da sind anscheinend zwei Nachrichten.“
„Nachrichten, die offensichtlich für mich bestimmt sind!“ Schnell entriss sie ihm das Handy.
An seiner Wange zuckte ein Muskel. „Sie machen die Situation auch nicht besser, wenn Sie sich bewusst querstellen.“
„Dann erklären Sie mir vielleicht mal, was Sie mit dieser ‚Situation‘ meinen, damit ich mich erst gar nicht querstellen muss.“ Herausfordernd funkelte Lily ihn an.
Dmitri atmete tief durch. Ihm war durchaus bewusst, dass er nicht so beherrscht war wie sonst. Als Entschuldigung konnte er nur anführen, dass es ein langer und schwieriger Vormittag gewesen war, und deshalb hatte er keine Lust, sich mit der starrköpfigen, wenig hilfreichen Lily Barton herumzuschlagen. „Hören Sie sich Ihre Nachrichten an, und dann sagen Sie mir, um was es geht“, befahl er ihr schroff.
Bei seinem Ton hob sie überrascht die Brauen. „Sollte ich das Gefühl haben, dass Sie davon wissen müssen, werde ich das vielleicht tun.“
Kühl betrachtete er sie, während er den Impuls bezwang, sie zu schütteln. „Hören Sie Ihr Handy bitte einfach ab“, stieß er schließlich hervor und ballte die Hände zu Fäusten.
Lily schluckte hastig, ehe sie den Blick von ihm abwandte und sich das Telefon ans Ohr hielt, um ihre Nachrichten abzuhören. „Die erste ist privat“, erklärte sie verärgert. Sie war von Danny, der ihr nachträglich eine schöne Zeit in Rom wünschte. Zweifellos mit dem Hintergedanken, dass sie beide nach Weihnachten wieder zusammenkommen würden. Die Hoffnung stirbt zuletzt! „Die zweite ist …“
Ihre Stimme verlor sich, als Lily klar wurde, dass die Nachricht von Felix stammte und dieser sie um neun Uhr morgens hinterlassen hatte, ehe sie überhaupt zum Flughafen aufgebrochen war. Allerdings hatte sie zu dieser Zeit draußen vor ihrem Apartment gestanden und auf ihr verspätetes Taxi gewartet. Auf den Gedanken, dass jemand ihr eine Nachricht hinterlassen haben könnte, war sie zu dem Zeitpunkt nicht gekommen.
Sie spürte, wie sie anfing zu zittern, weil ihr Bruder sehr eindringlich sprach. „Komm nicht nach Rom, Schwesterherz“, warnte er. „Ich erkläre dir alles, wenn wir uns wiedersehen, aber komm nicht nach Rom. Auf keinen Fall!“
„Was, zum …?“ Verwirrt sah Lily den Grafen an, der ihr wieder das Handy wegnahm, um sich die zweite Nachricht anzuhören. „Warum sagt Felix, dass ich auf keinen Fall nach Rom kommen soll?“, fragte sie verunsichert, als sie ein gefährliches Funkeln in seinen grünen Augen bemerkte. „Wo ist er?“
Dmitri klappte das Handy zu. „Eine interessante Frage, wie ich schon sagte …“
„Dann verlange ich diesmal eine Antwort darauf!“, beharrte Lily und blickte ihn vorwurfsvoll an, während sie es ihm entriss.
Ausgerechnet jetzt fiel Dmitri zu seinem Verdruss auf, dass Lilys blaue Augen nun wie Saphire funkelten. Ihre Wangen waren leicht gerötet und ihre perfekt geschwungenen Lippen trotzig verzogen.
„Offensichtlich wissen Sie, was los ist. Sonst hätten Sie sich nicht die
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