Gefangen im Palazzo der Leidenschaft
nichts und niemandem einschüchtern.
Er seufzte. „Sobald der Glaser morgen eine neue Scheibe eingesetzt hat, bringe ich dich überall hin, wo du willst.“
„Willst du damit sagen, dass wir Eis essen gehen und uns den Trevibrunnen ansehen?“ Aus ihrem Mund hörte es sich wie eine seltsame Form der Bestrafung an, die er ihr zufügen wollte.
„Nein“, stieß er hervor. „Ich meinte damit, dass ich dich zu einem Hotel bringe.“
Ihre Augen weiteten sich. „Wirklich?“
Ihr ungläubiger Tonfall verwirrte ihn noch mehr. „Wirklich“, echote Dmitri knapp.
Misstrauisch betrachtete sie Dmitri, unsicher, ob sie ihm überhaupt vertrauen konnte. „Und was ist mit Claudia und Felix?“
Seine Miene verfinsterte sich. „Ich muss einen anderen Weg finden, sie ausfindig zu machen.“
„Und wie genau?“
„Bis jetzt habe ich noch keine Idee“, erwiderte er schroff. „Aber ich weiß, dass ich etwas unternehmen werde.“
Weil sie ihn durch ihren Fluchtversuch in eine peinliche Situation gebracht hatte? Oder bereute er aufrichtig, sie eingesperrt zu haben, obwohl sie lieber woanders sein wollte? Wie auch immer …
„Ist dir kalt?“ Lily runzelte die Stirn. Sie war sich sicher, dass Dmitri eben leicht gezittert hatte. Oder war er nur unwillkürlich zusammengezuckt, weil er sich daran erinnert hatte, dass die Polizei mitten in der Nacht in sein Haus eingefallen war?
„Warum, in aller Welt, sollte mir denn kalt sein?“, meinte er wegwerfend. „Es ist Ende Dezember, ein Uhr morgens, mein Fenster ist zerbrochen, und ich trage nur ein Handtuch.“
„Es ist nicht nötig, sarkastisch zu werden“, sagte Lily pikiert.
„Gründe dafür gibt es genügend …“ Entnervt verstummte er und atmete tief durch. „Sag mal, Lily, ist dir so etwas auch schon in England passiert?“
Verwirrt krauste sie die Stirn. „Was meinst du mit ‚so etwas‘?“
Seine Brauen gingen nach oben. „Dass du von einem italienischen Grafen gekidnappt wurdest. Und Liebe auf einem Küchentisch gemacht hast.“ Nach all den Unannehmlichkeiten in der vergangenen Stunde beobachtete er mit grimmiger Befriedigung, dass ihre Wangen sich röteten. „Einbruch. Verhör durch die Polizei.“
„Es gibt nicht so viele italienische Grafen in England. Ich wollte aus dem Haus ausbrechen, nicht einbrechen. Und die Polizei kann mich kaum verhören, wenn ich kein Italienisch spreche und sie kein Englisch sprechen. Also lautet die Antwort auf deine Frage Nein, Dmitri. So etwas ist mir in England noch nie passiert.“
Ihm fiel auf, dass sie seine Frage nach dem Liebesspiel nicht verneint hatte. Weil sie das in England schon erlebt hatte? Oder weil es ihr peinlich war, dass es überhaupt geschehen war?
„Bitte geh zu Bett, Lily“, riet er, und ein Muskel zuckte an seiner Wange.
Lily schüttelte den Kopf. „Nein – du gehst jetzt und ziehst dir etwas an. Und ich mache dir einen heißen Kaffee.“ Sie drehte sich zu der Kaffeemaschine um, die auf der Arbeitsfläche stand, und füllte Wasser ein, ehe sie den gemahlenen Kaffee aus dem Kühlschrank nahm. „Warum du so spät abends noch duschen musst, verstehe ich nicht.“
„Ich habe nicht geduscht“, wiegelte Dmitri ab und beobachtete stirnrunzelnd, wie Lily das Pulver einfüllte. Normalerweise taten die Menschen das, was er ihnen sagte, aber sie hatte sich offenbar dazu entschlossen, seine Worte zu ignorieren.
Nachdem sie die Maschine angestellt hatte, drehte sie sich wieder um. „Und was hast du gemacht?“
Er war es auch nicht gewohnt, dass Menschen sein Handeln hinterfragten, doch sie tat es, ohne nur einen Moment zu zögern. Er fand es sehr verwirrend, andererseits jedoch auch seltsam erfrischend …
Fünfzehn Jahre lang hatten alle seine Anweisungen befolgt, ohne dass jemand ihn kritisierte oder infrage stellte. Dass er nun der Neugierde einer Frau ausgesetzt war, die ihm gerade bis zur Schulter reichte, nicht mehr wog als ein Teenager – obwohl sie weit davon entfernt war, einer zu sein – und eine scharfe Zunge hatte, war ein Schock für ihn. Als hätte er jahrelang unter Schafen gelebt und würde sich nun einer Löwin gegebenübersehen.
„Dmitri?“
Kurz verspürte Dmitri einen Anflug von Wärme, weil Lily ihn weiterhin beim Vornamen nannte. „Ja?“, antwortete er heiser.
Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Ich habe gefragt, wo du warst, als der Alarm ausgelöst wurde.“
„Im Pool.“ Abkühlen. Obwohl die ganze Anstrengung sinnlos gewesen war, wenn er jetzt in
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