Gefangen im Palazzo der Leidenschaft
hier herumzustehen, während Dmitri eine weiteres Gespräch führte.
Selbstmitleid hatte sie sich noch nie erlaubt, doch nun merkte Lily, dass sie sich allmählich doch ein bisschen bedauerte. Schließlich war Heiligabend, und es sah ganz so aus, als würde Dmitri gleich den Palazzo verlassen, um sie zu einem Hotel zu fahren. Wo sie zweifellos den restlichen Tag allein verbringen würde. Und den morgigen auch. So hatte sie sich dieses Weihnachten wirklich nicht vorgestellt!
„Wo willst du hin?“ Dmitri legte die Hand auf die Muschel, um mit Lily zu sprechen. Offenbar hatte sie gehen wollen, um ihn bei seinem Gespräch nicht zu stören.
Sie zuckte leicht die Achseln und sah ihn über die Schulter hinweg an. „Ich wollte nur meinen Koffer herunterholen, damit ich fertig bin, wenn du fahren willst.“
Er war ein wenig irritiert. In den letzten Minuten hatte er überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass er ihr angeboten hatte, sie zu einem Hotel zu fahren. Vielmehr war er von dem Gefühl beherrscht gewesen, endlich Fortschritte gemacht zu haben, was Claudia und Felix betraf. Doch nun erinnerte er sich wieder. Und ihm wurde auch bewusst, dass Lily Weihnachten ganz allein sein würde, wäre sie erst im Hotel. So, wie er. Was für ihn vorher nie ein Problem gewesen war.
Und auch jetzt nicht, redete er sich ein. Um Lily machte er sich Gedanken, nicht um sich selbst. „Es hat doch keine Eile, oder?“ Hatte ihre Miene sich eben aufgehellt? Er war sich nicht sicher.
„Nein“, antwortete Lily. „Nein, natürlich hat es keine Eile.“ Sie lächelte. „Ich wollte gerade Kaffee für die Männer unten machen. Möchtest du auch einen?“
„Ja, sehr gern“, meinte Dmitri herzlich.
Zu herzlich? Was, in aller Welt, war los mit ihm? Vor Kurzem hatte er es noch für eine gute Idee gehalten, Lily nicht mehr im Haus zu haben – eine wunderbare Idee. Und jetzt verspürte er nichts als Widerwillen bei dem Gedanken.
Es ist nur ihretwegen, versicherte er sich noch einmal. Schließlich war sie zu Besuch in seiner Heimatstadt und hatte die Gastfreundschaft Roms noch nicht kennenlernen dürfen. Zudem war ihr Bruder nicht da, um mit ihr Weihnachten zu feiern. Das waren sicher die Gründe, warum er nun zögerte, was denn sonst?
„Graf Scarletti?“
Die Stimme, die aus dem Hörer drang, erinnerte Dmitri daran, dass er sich mitten in einem Telefonat befand.
„Ich komme gleich in die Küche“, sagte er zu Lily. Dann drehte er sich in seinem Sessel um und sah aus dem Fenster, während er sein Gespräch fortsetzte.
„Wie ich sehe, ist die Arbeit erledigt?“
Lily, die eben über etwas gelacht hatte, das der Glaser dem zu einem leichten Flirt aufgelegten Sicherheitsbeamten auf Englisch übersetzt hatte, drehte sich um. Ihr Lächeln verschwand, als sie Dmitri im Türrahmen entdeckte, der mit versteinerter Miene ihr Gespräch verfolgte. „Ich … nein, ich glaube nicht.“ Unbehaglich wand sie sich, da ihr bewusst geworden war, dass sie die beiden Männer von der Arbeit abgehalten hatte.
„Dann sollte man ihnen vielleicht gestatten, mit der Arbeit weiterzumachen, ja?“, schlug Dmitri vor und trat näher, um die beiden Männer mit einem scharfen Blick zu bedenken.
Ein Blick, der offensichtlich keiner Übersetzung bedurfte, denn die beiden stellten sofort ihre halb leeren Kaffeetassen zur Seite und beeilten sich, mit der Arbeit am Fenster weiterzumachen.
Lily wandte sich an Dmitri. „Alle Achtung. Schaffst du das auch mit einem ganzen Raum voller Menschen?“
„Ohne Weiteres“, gab er trocken zurück und ging zum Tisch. „Wenn man bedenkt, dass ich diesen Teil des Palazzos normalerweise nie betrete, scheine ich im Moment sehr viel Zeit hier zu verbringen.“
Sie stand auf, um ihm Kaffee einzuschenken. „Ich sitze oft zu Hause in meinem Apartment in der Küche.“
„Sitzen? Nicht kochen?“ Er sank auf einen der Stühle.
Lily stellte ihm die Tasse hin, ehe sie wieder Platz nahm. „Ich kann durchaus kochen, Dmitri.“
„Du hast dich also einfach nur entschlossen, es nicht zu tun, während du hier bist“, schloss er, bevor er einen Schluck trank.
Lily musterte Dmitri, ohne sich auch nur eine Sekunde von seinem Plauderton täuschen zu lassen. Denn noch vor wenigen Augenblicken war er überhaupt nicht glücklich darüber gewesen, sie mit den beiden Männern lachend vorzufinden. Weil sie diese aufgehalten hatte? Oder hatte es einen anderen Grund?
Sie zuckte die Schultern. „Ich bin Lehrerin, keine Köchin.“
Er
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