Gefangen im Palazzo der Leidenschaft
entgeistert zu dem exklusiven Hotel, vor dem Dmitri mit seinem schwarzen Sportwagen angehalten hatte.
Es lag nur knapp zwei Kilometer von seinem Zuhause entfernt, doch selbst während der kurzen Fahrt hatte sie festgestellt, dass er wie die anderen Italiener fuhr, die sie beobachtet hatte. Er achtete weder auf Verkehrszeichen noch auf andere Fahrer, ganz zu schweigen von den Rad- und Motorradfahrern, die auf den Straßen ihr Leben riskierten.
Und jetzt saß sie also in dem nach teurem Leder riechenden Wagen vor einem Hotel und sah, wie Portier und einige Träger sich um das Gepäck der äußerst schick gekleideten Gäste kümmerten. Ihr Magen krampfte sich zusammen.
„Du musst es dir auch nicht leisten können, hier abzusteigen“, versicherte Dmitri ihr kühl, bevor er seine Tür öffnete, ausstieg und um den Wagen herumging, um Lily behilflich zu sein. „Du wirst hier natürlich als mein Gast wohnen“, fügte er hinzu, als sie sitzen blieb.
„Von ‚natürlich‘ kann gar keine Rede sein.“ Trotzig schüttelte sie den Kopf. „Weil ich weder hier noch anderswo als Gast von Graf Scarletti bleiben werde. Ich zahle selbst, vielen Dank.“
Dmitri musterte ihre aufmüpfige Miene. Fast war er versucht, über ihre offenkundige Empörung zu lachen – hätte er nicht gewusst, dass Lily dann noch sturer reagieren würde. „Komm wenigstens mal mit hinein, und sieh dir das Zimmer an, Lily“, versuchte er sie zu überreden
„Warum sollte ich, wenn ich nicht hier bleibe?“ Wieder schüttelte sie den Kopf und blickte unverwandt zu der eleganten Fassade. „Als ich dich gebeten habe, mich zu einem Hotel zu bringen, habe ich doch nicht die römische Version des Ritz gemeint, Dmitri.“ Verärgert funkelte sie ihn an.
Diesmal konnte Dmitri das Lachen nicht mehr zurückhalten. „Lass mich dir doch diesen Gefallen tun.“ Er ging vor der geöffneten Tür in die Hocke und nahm ihre Hand. „Als Entschuldigung für mein rüpelhaftes Benehmen.“
Frustriert betrachtete Lily ihn. Warum musste er in diesem Moment nur so ansprechend jungenhaft wirken, als er sie mit seinen warmen grünen Augen ansah, ein wehmütiges Lächeln auf den Lippen? Und dann noch dieses Prickeln in ihren Fingern und ihrem Arm, weil er sie berührte …
„Eine mündliche Entschuldigung hätte auch gereicht“, murmelte sie.
„Das hier ist meine Entschuldigung“, beharrte er.
„Eine ziemlich teure.“
„Sieh es dir doch einfach mal an, hm?“
Könnte überhaupt eine Frau diesem Mann widerstehen, mit diesem flehenden Blick? Sie jedenfalls schaffte es nicht.
Lily entzog ihm ihre Hand, ehe Dmitri aufstand und zurücktrat, um sie aussteigen zu lassen. „Wenn ich es mir ansehe, heißt das nicht, dass ich bleibe“, warnte sie ihn, während er zum Kofferraum ging, um ihr Gepäck herauszunehmen. „Ich weiß schon jetzt, dass ich mich hier nicht wohlfühlen werde.“
„Behaglichkeit ist genau das, wofür dieses Hotel bekannt ist“, versicherte er ihr und überließ einem der Träger den Koffer, der damit im Hotel verschwand. Dann umfasste er ihren Arm.
Als Lily an Dmitris Seite das Hotel betrat, zweifelte sie nicht mehr daran. Mit dem Marmorboden und den Säulen wirkte die Lobby wie die Eingangshalle im Palazzo Scarletti. Und auch hier hatte sie das Gefühl, dass die Hektik und der Lärm von Rom draußen geblieben waren.
Etwa ein Dutzend Menschen hielten sich in der Lobby auf – an der Rezeption, in den gemütlichen Sesseln mit einer Zeitung oder einer Straßenkarte –, doch alle sahen zu Dmitri, als er in seiner arroganten Art durch die Halle schritt.
Nein, dachte Lily, als sie zu ihm hochblickte. „Arroganz“ war schon immer das falsche Wort für ihn gewesen. Denn es würde bedeuten, dass er eingebildet war und andere verachtete, was auf ihn ganz und gar nicht zutraf, wie ihr dieser Tag gezeigt hatte. Dimitri war mächtig, das ja, und selbstsicher, aber arrogant war er überhaupt nicht. Und seine Zurückhaltung anderen gegenüber schien er bei ihr inzwischen abgelegt zu haben. Ihr Interesse an ihm war inzwischen viel zu persönlich, wie ihr klar wurde.
Jedenfalls war sie interessiert genug, um sich über die begehrlichen Blicke zu ärgern, die ihm ein halbes Dutzend Frauen zuwarfen – sowohl alte als auch junge.
Viel zu interessiert!
Dabei war er unerreichbar für sie. War sie schon enttäuscht gewesen, dass Danny ihr seine Mutter vorzog, wäre das nichts gegen den Schmerz, wenn dieser Mann aus ihrem Leben verschwinde
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